Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
zulässt als ein Einzellader. Vergessen Sie nicht, wir haben mehrere Zeugen, die drei schnell aufeinanderfolgende Schüsse gehört haben wollen, und zwar, als sie in einiger Entfernung am Zieleinlauf standen.«
»Warum keine halb- oder vollautomatische Büchse?«
»Vollautomatische Gewehre sind verbotene Waffen im Sinne des Waffengesetzes, wie Sie alle wissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas zum Einsatz gekommen ist, ist eher gering. Unser Schütze ist nicht unerfahren, und er hat gute Nerven. Das Gebiet auf dem Priwall war zur Tatzeit nicht gerade einsam und verlassen. Immerhin haben sich fünfunddreißig Orientierungsläufer nebst Begleitung in der Nähe des Tatorts aufgehalten. Broders, fassen Sie für alle zusammen, was bei der Befragung der Teilnehmer der Sportveranstaltung herausgekommen ist.«
Broders erhob sich etwas steif und ging mit seinen Aufzeichnungen nach vorn zu Gabler. Er berichtete, er habe jeden einzelnen Teilnehmer befragt, mit besonderem Augenmerk auf den Organisator des Laufs, Thomas Landwehr, und den Starthelfer, der den Tausch der Laufkarte und Startnummer mitverfolgt hatte. Außerdem hatte er die Kinder befragt, die angeblich jemanden im Unterholz gesehen hatten.
»Die Aussagen der Kinder decken sich nicht vollständig«, erklärte Broders. »Beide behaupten, jemanden gesehen zu haben, und zwar am fünften Posten der Kinderstrecke – mit dem Symbol ›Tanne‹ markiert. Der lag etwa fünfzig Meter vom Tatort entfernt, in dem kleinen Waldgebiet nahe des Ufers der Pötenitzer Wiek.« Er ließ eine Karte der Tatortumgebung an das Board projizieren und deutete mit einem Zeigestab auf einen Punkt in dem grün markierten Gebiet. »Ziemlich genau hier. Thomas Landwehr hatte die Karten für die Läufer ausgearbeitet, auf der jeder Posten genau eingezeichnet ist. Der Junge hat einen großen, schweren Mann gesehen, der wie ein Jäger gekleidet war: graugrüner Parka, grüne Gummistiefel und etwas auf dem Kopf, das er nicht genau erkennen konnte. Der Junge hatte den Eindruck, dass der Mann nicht von ihm gesehen werden wollte. Er hat sich tiefer in das Unterholz geduckt, als er angelaufen kam. Das Mädchen hat die Gestalt als mittelgroß und schlank beschrieben und war unentschieden, ob weiblich oder männlich. Er oder sie trug angeblich eine braune Hose, eine dunkle Jacke und eine Art Schlapphut, sodass man das Gesicht nicht erkennen konnte. Die Kleine sagte aus, dass die Gestalt sie nicht weiter beachtet habe, sondern nur so durchs Unterholz gewandert sei … Die Beschreibungen variieren erheblich. Viel Fantasie im Spiel, würde ich sagen. So viel zu unseren Augenzeugen.«
»Die Kinder haben vielleicht zwei verschiedene Personen gesehen«, vermutete Pia.
»Unwahrscheinlich. In Bezug auf Zeitpunkt und Ort decken sich die Aussagen recht genau.«
»Gibt es schon Phantombilder?«, hakte Pia nach.
Gabler erinnerte sich, dass sie bei einer Ermittlung im Sommer durch ein Phantombild einen wichtigen Hinweis erhalten hatten.
»Äh, nein. Die Eltern sind gerade erst um ihre Einwilligung gebeten worden«, sagte Broders. »Ich befürchte auch, dass uns Phantombilder in eine falsche Richtung führen könnten. Vermutlich kommt eine Mischung aus Räuber Hotzenplotz und Freddy Krueger dabei heraus.«
»Wie alt sind die Kinder, Broders?«, fragte Gabler.
»Neun und elf.« Er lächelte nachsichtig.
»Was haben die Nachforschungen nach der Herkunft der Drohbriefe ergeben?«, hakte Gabler nach, bevor Broders und Pia zu diskutieren begannen. Die beiden waren gerade deshalb so wertvoll für sein Team, weil sie so unterschiedliche Ansichten hatten. Plötzlich zweifelte Gabler, ob einer der beiden Neuen, Maiwald oder ein eher ruhiger Mann namens Stöver, Pia Korittki würde ersetzen können. Vielleicht kam sie ja doch rechtzeitig aus dem Mutterschutzurlaub zurück?
Michael Gerlach ergriff das Wort: »Die zwei Drohbriefe, die beim Veranstalter des Wettkampfes eingegangen sind, haben einer ersten Analyse nach nichts mit dem Mord an Timo Feldheim zu tun. In den Briefen heißt es, dass die Auswirkungen des Sports auf Flora und Fauna publik gemacht werden würden. Orientierungslauf ist aber gar nicht deren Interessenschwerpunkt. Sie wenden sich hauptsächlich gegen Wassersportler: Segler, Paddler und Surfer, die sich unerlaubt in gesperrten Uferzonen bewegen und die Rohrdommeln und andere Wasservögel stören. Ich habe mit dem Vorsitzenden der Gruppe, die übrigens nur aus fünf Personen besteht, gesprochen. Er
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