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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Er sah jedenfalls um zehn Jahre älter aus, als in seinem Ausweis stand. Dabei war sie es, die schlecht aussehen müsste, nach allem, was in den letzten Tagen passiert war. Gut, sie hatte zwei Kilo Gewicht verloren, aber ansonsten? Sie fühlte sich bei dieser Feststellung fast wie eine Verräterin, aber es blickte ihr immer noch dieselbe Katja Simon im Spiegel entgegen wie noch vor einer Woche. Die Trauer würde kommen, wenn sie am wenigsten damit rechnete, hatte ihr Hausarzt prophezeit.
    »Süße, wie geht es dir?«, fragte Waskamp. Äußerlich war er um Normalität bemüht, doch der unstete Blick seiner Augen verriet ihn. Er wusste überhaupt nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte.
    »Wie soll es mir schon gehen? Schlecht«, antwortete sie. »Ich denke die ganze Zeit über Timo nach. Es ist alles ein einziges Chaos.«
    »Du musst dir Zeit geben«, sagte er und legte den Arm um sie. Sie schüttelte ihn ab. Er zog sich beleidigt zurück. Einen Augenblick standen sie nebeneinander im Sand, dort, wo eine größere Welle fast ihre Schuhe erreichen konnte, und starrten auf die Ostsee. Als wäre dort, wo das bleigraue Wasser unmerklich in einen ebenso grauen Himmel überging, die Lösung ihrer Probleme zu finden.
    Warum sagt er nicht irgendetwas, das mir weiterhilft? Heute hat ihm wohl niemand eine passende Rede vorbereitet, dachte Katja böse.
    »Lass uns ein Stück in Richtung Timmendorfer Strand gehen«, schlug er endlich vor. Meistens, wenn sie sich in den vergangenen Wochen getroffen hatten, hatten sie sich nach heißen Küssen und ungeduldigem Gefummel auf dem Autositz zu ihm nach Hause oder in das Appartement eines Freundes zurückgezogen, das Sven für sie organisiert hatte.
    Sie nickte.
    »Wollen wir danach noch nach Niendorf fahren?« Seine Stimme klang hoffnungsvoll. Sie hörte geradezu den Schlüsselbund mit dem Appartementschlüssel in seiner Tasche klimpern.
    »Ich bin hier, weil ich dich etwas fragen wollte.«
    Sein »Nur zu« klang mehr wie: »Wenn es denn unbedingt sein muss.«
    »Wie steht es um deine Chancen auf einen Sitz im Bundestag?«, fragte sie, ihr Ziel auf einem taktischen Umweg ansteuernd.
    »Nach den letzten internen Prognosen sieht es gut aus. Alle unterstützen mich, wo sie können. Wenn ich es entgegen allen Erwartungen nicht schaffe, dann lag es zumindest nicht an meinen Leuten.« Da schwang ein Vorwurf mit: Du unterstützt mich ja nicht. Du interessierst dich nicht für meine politische Karriere.
    »Warum tun die das?«, wollte Katja wissen.
    Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu und zog seine Schultern fröstelnd hoch. Erst jetzt fiel Katja auf, dass er nur einen Anzug mit einem seiner obligatorischen bügelfreien Hemden darunter trug. Er war nicht auf einen Strandspaziergang im Oktober eingestellt. Damit, dass sie reden wollte, hatte er wohl nicht gerechnet. Die Ledersohlen seiner Sechshundert-Euro-Budapester würden hübsch durchweichen im nassen Sand. Seine teure, förmliche Kleidung und sein smartes Auftreten hatten sie gereizt. Nicht nur, weil es mit Timos lässiger bis nachlässiger Sportlichkeit kontrastiert hatte. Der Grund dafür lag tief in ihrer Persönlichkeit verborgen. Sie wusste, da war dieses Kind in ihr, das nach Anerkennung schrie. Anerkennung von Leuten wie ihm … wer immer das sein mochte.
    »Meine Leute glauben an mich. Wir sind ein Team«, erklärte er geduldig.
    »Und warum tust du es?«
    »Weil ich es will.« Sein wahres Gesicht.
    »Man sollte doch meinen, dass Politiker zumindest ein Lippenbekenntnis in Richtung Interesse am Wohlergehen ihrer Region und ihrer Wähler ablegen.« Katja konnte der Versuchung, ihn zu ärgern, nicht widerstehen. Eine warnende Stimme sagte ihr, dass sie sich damit schaden könnte. Sie war hier, weil sie sich Sven Waskamps Unterstützung versichern wollte, falls die Polizei sie zu sehr bedrängte. Er hatte Einfluss. Wenn er nur halb so viele wichtige Leute kannte, wie er behauptete, konnte sie es sich jetzt nicht leisten, es sich mit ihm zu verscherzen. Aber seine selbstherrliche Art ging ihr gegen den Strich.
    »Natürlich geht es uns in erster Linie um das Wohlergehen unserer Wähler und die Entwicklung der Region.«
    »Du brauchst mir keine deiner Wahlreden zu halten, Sven! Ich weiß, dass du die nicht selbst schreibst.«
    Der Griff, mit der seine Hand ihren Arm packte, war schmerzhaft. »Wenn ich nicht wüsste, dass du unter Schock stehst und blind um dich schlägst, dann würde ich dir das nicht durchgehen lassen,

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