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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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genommen hatte, um ihre Hände zu beschäftigen, lag auf ihrem Schoß. Wer konnte bei über dreißig Grad auch an Wollsocken denken?
    Irmas Blick fiel auf ihr Auto in der Auffahrt. Sie konnte jederzeit losfahren, wenn etwas passieren sollte ... Unsinn, was sollte schon passieren? Normalerweise hätte Irma Zoes Planschbecken nicht im vorderen Teil des Gartens aufgestellt, aber sie wollte auf keinen Fall in die Nähe des Gemüsegartens kommen. Und von hier aus würde sie es rechtzeitig bemerken, wenn sich jemand dem Haus näherte. Reiß dich zusammen, dachte sie. Keine Hysterie! Du wartest doch nur auf den Kammerjäger. Wer sollte sonst schon herkommen?
    Manchmal verirrten sich Touristen hierher, die auf der Suche nach einem geheimen Weg zum Meer waren. Aber ansonsten? Einige Dorfbewohner führten ihre Hunde hier aus und ließen sie ihr Geschäft in diesem Garten verrichten. Mit voller Absicht, wie Irma vermutete. Sie war es gewohnt, dass ihre Art zu leben bei den sogenannten »normalen« Leuten Misstrauen hervorrief. Nur dieses Mal war es eher so, als zöge nicht sie, sondern das Haus alle negativen Gefühle auf sich.
    Sie blickte unbehaglich über die Schulter zurück. Selbst im Sonnenlicht wirkte das Gebäude dunkel und abweisend. Die negativen Gefühle prallten nicht an den massiven Mauern ab – das Haus schien sie vielmehr zu absorbieren und nach und nach auszuschwitzen und so an die Bewohner abzugeben. Kein Wunder, dass Spinner wie dieser Aleister und seine Groupies sich von Mordkuhlen angezogen fühlten! Von Okkultismus hatte sie jedenfalls erst einmal die Nase voll. Sie beteuerte zwar immer, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gab, als der menschliche Verstand fassen konnte, aber momentan genügte ihr das, was sie erfassen konnte, vollauf.
    »Mama!«
    Zoe war aufgestanden und deutete mit ihrem kleinen Zeigefinger in Richtung Dorf.
    »Was ist denn, Schatz?«
    »Da kommt einer.«
    Irma richtete sich auf und sah in Richtung Auffahrt. Die heiße Luft flirrte über der staubigen Straße. Sie konnte niemanden sehen. »Wir warten auf den Kammerjäger, Zoe. Vielleicht kommt er jetzt endlich.« Sie stand ächzend auf und ging zu ihrer Tochter. Vielleicht konnte sie von Zoes Standort aus ja mehr erkennen. Die Kleine hatte Augen wie ein Luchs. Aber sie hatte auch eine blühende Fantasie. Irma fasste das Mädchen an der Schulter. Zoe fühlte sich eiskalt an.
    »Willst du jetzt mal aus dem Wasser kommen, Schatz?«
    Wie erwartet, schüttelte Zoe vehement den Kopf. Irma hob sie heraus. Nicht fragen, klare Ansagen machen ... Wie immer war sie erstaunt, wie leicht ihre Tochter war. Irma hüllte sie in ein Kapuzenbadetuch und rubbelte sie trocken. Zoes Lippen waren blau.
    Und da sah Irma ihn. Einen weißen Kastenwagen, der sich Mordkuhlen in einer Staubwolke näherte. Ein paar Minuten später hielt der Wagen vor dem Tor an, und ein hochgewachsener Mann stieg aus. Er öffnete das quietschende Gatter und kam langsamen Schrittes auf sie zu. Er war blass und hatte weißes Haar. Mit der hellgrauen Hose und dem beigen Hemd sah er wie eine riesengroße menschliche Made aus. Sie konnte seine Augen nicht sehen, denn das Sonnenlicht spiegelte sich in seinen Brillengläsern. Das war bestimmt nicht der Kammerjäger, der schon mal wegen des Wespennestes hier gewesen war. Der sollte laut Arne jünger gewesen sein. Vielleicht sein Mitarbeiter? Aber hatte er ihr, als sie ihn auf dem Handy angerufen hatte, nicht gesagt, er habe nur eine Frau fürs Büro?
    »Lauf ins Haus und zieh dir was Trockenes an!« Irma schob Zoe ein Stück von sich weg. Doch das Kind blieb stehen.
    »Mama, wer ist das?«, flüsterte die Kleine.
    »Der Kammerjäger, Zoe. Und nun zieh dich schnell um. Du zitterst ja.« Sie schubste sie leicht von sich weg.
    »Ist der Mann ... böse?«
    »Unsinn! Und nun lauf!« Irma sah ihrer Tochter nach, die wie ein Fohlen über die Wiese zum Haus galoppierte, und wäre am liebsten hinterhergerannt. Doch der Fremde war schon da.
    Er blieb neben dem Planschbecken stehen. Das lange Gesicht schirmte er mit der linken Hand gegen die Sonne ab. »Schönen guten Tag. Sind Sie Frau Seibel?«
    »Bin ich. Und wer sind Sie?« Er hat so gar nichts von einem Kammerjäger an sich, dachte sie. Aber wer oder was ist er dann? In seiner rechten Hand schwang eine abgewetzte Aktentasche vor und zurück wie ein Pendel.
    »Mein Name ist Schöller. Gesundheitsamt Kreis Ostholstein.«
    »Telefon für dich. Soll ich durchstellen?«, klang es etwas genervt

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