Ostseefluch
dilettantisch in Rabenschwarz, was überhaupt nicht zu ihrem hellen Teint gepasst hatte. Ja, diese Tochter war für Rudolf eine Enttäuschung auf ganzer Linie gewesen. Aber war das etwa ihre, Marens, Schuld? Und als wären die Probleme mit Rudolf nicht genug, musste sie sich nun auch noch andauernd mit der Polizei auseinandersetzen, die tausend nervige Fragen stellte.
Rudolf sollte wirklich etwas mehr Verständnis für meine Situation aufbringen!, dachte Maren und knallte den goldfarbenen Cremetiegel auf die Ablage. Sie schnitt sich selbst eine Grimasse und griff zum Lippenstift. Da läutete es an der Tür.
Sie waren wieder zu zweit. Der Kriminalkommissar, den sie schon kannte, begrüßte sie mit unbewegter Miene. Broders hieß er, erinnerte sie sich. Sie hätte Mühe gehabt, sich sein Gesicht in Erinnerung zu rufen, wenn sie nach ihm gefragt worden wäre.
Er war ein mittelgroßer Mann Anfang fünfzig, mit schütterem Haar und unauffälliger Kleidung. Jemand, den man auf einer Party oder bei einer zufälligen Begegnung in der Stadt leicht übersehen würde. Wahrscheinlich pflegt er diese Unscheinbarkeit, um die Menschen, mit denen er in seinem Beruf zu tun hat, in Sicherheit zu wiegen, überlegte Maren. Seine Augen waren das Bemerkenswerteste an ihm. Ihnen entging, wie ihr schien, absolut nichts.
»Kommen Sie doch rein!«, forderte sie die Polizisten auf. »Es ist inzwischen zu warm, um draußen zu sitzen. Selbst im Schatten.« Maren Rosinski musterte die Frau, die Broders dieses Mal begleitete. Die andere, Korittki hieß sie, war ihr im Gegensatz zu Broders nach den zwei Gesprächen noch gut im Gedächtnis. Groß und schlank, hellhäutig, blondes Haar, mit einem leicht aschigen Unterton, nicht so golden, wie ein zweitklassiger Friseur ein Blond in dieser Helligkeit färben würde. Sie könnte weit mehr aus sich machen, hatte Maren bei dem unangenehm direkten Blick aus graublauen Augen gedacht, mit dem sie von der Beamtin taxiert worden war. Aber das käme bei der Polizei wahrscheinlich gar nicht so gut an. Da stand man wohl mehr auf schnörkellose Sportlichkeit.
Die Kommissarin, die dieses Mal mitgekommen war, sah umgänglicher aus. Dunkelbraune Locken, die sie lässig hochgesteckt hatte, Haselnussaugen und Grübchen. »Juliane Timmermann«, stellte sie sich vor.
»Wir gehen am besten ins Esszimmer«, schlug Maren Rosinski vor, »da ist es vormittags am kühlsten.«
»Wie geht es Ihnen heute?«, fragte Broders, als sie alle drei Platz genommen hatten, das Aufnahmegerät zwischen ihnen.
»Sie meinen sicherlich meinen Kopf.« Maren fasste sich an die Stelle, die immer noch druckempfindlich war. »Besser. Ich spüre es kaum noch. Eine dumme Geschichte. Ist mir inzwischen fast peinlich.«
»Dass Sie jemand niedergeschlagen hat?« Juliane Timmermann wirkte erstaunt und entblößte beim Lächeln eine Reihe schneeweißer, etwas zu kleiner Zähne.
»Nein. Dass ich für so einen Aufruhr gesorgt habe. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr neige ich dazu zu glauben, dass ich nur gestürzt und unglücklich mit dem Kopf aufgeschlagen bin. Obwohl – wirklich erinnern kann ich mich an die Einzelheiten dieses Abends ja nicht mehr ...«
»Gestürzt? Der behandelnde Arzt ist anderer Meinung«, sagte Broders.
»Ärzte!« Maren Rosinski zog eine Augenbraue hoch. »Meine Großtante väterlicherseits hatte auch nur eine Magenverstimmung – sagte ihr Arzt. Zwei Tage später war sie tot. Oder der alte Hillmer ... Kopfweh von zu vielem Saufen, war die ausgefeilte Diagnose. Aber dann litt er leider doch unter einem Gehirntumor. Judith Ingwers kann Ihnen mehr darüber erzählen. Sie hat ihren Vater zu Tode gepflegt. Vielleicht erklärt das ein wenig ihren Spleen.«
»Spleen?«
»Ihre übertriebene Frömmigkeit. Sagen Sie nicht, Sie hätten davon noch nichts mitbekommen.«
»Erst einmal zu Ihnen, Frau Rosinski. Ärzte können sich irren. Aber in Ihrem Fall ist das so gut wie ausgeschlossen. Ihre Verletzung spricht eine deutliche Sprache. Außerdem gibt es einen Zeugen.«
»Sie meinen Rudolf? Nichts gegen seine Beobachtungsgabe, doch der Mann steht gerade hochgradig unter Stress.«
»Was wollte er so spät am Abend bei Ihnen zu Hause?«, fragte Juliane Timmermann.
»Das habe ich doch alles schon ausgesagt! Er wollte mich sehen. Wir sind befreundet, das wissen Sie bereits. Vielleicht musste er auch einfach mal raus aus seinem Haus ... weg von seiner Frau.«
»Und da kam er zufällig genau zu dem Zeitpunkt, als Sie im
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