Ostseefluch
Garten zu Boden gegangen waren. Und hörte sogar noch jemanden weglaufen.« Broders’ Stimme klang neutral, was die Unwahrscheinlichkeit der Aussage noch stärker hervorhob.
»Ich kann nicht ändern, dass es so passiert ist. Es war mein Glück, dass er kam.«
»Haben Sie Rudolf Ingwers seit dem Unfall noch mal gesehen?«, hakte Juliane Timmermann mit leicht schräg geneigtem Kopf nach. »Allein?«
»Ob ich ... natürlich!« Nur einmal kurz beim Bäcker, dachte sie bitter. Daran war Judith schuld. Und Milena, die arme Seele. Aber sie wollte nicht glauben, was Rudolf da gerade unterstellt wurde. Er würde niemals ... Er liebte sie. Das hatte er ihr schon tausend Mal gesagt. Der Verdacht war einfach lächerlich.
»Wer könnte, rein hypothetisch betrachtet, ein Interesse daran haben, Ihnen zu schaden?«, erkundigte sich Broders.
»Ich habe keine Feinde, wenn Sie darauf hinauswollen! Ich habe noch nie jemandem etwas zuleide getan. Und wenn Sie jetzt denken, dass Judith Ingwers das vielleicht anders sieht, dann täuschen Sie sich. Sie hat kein Interesse mehr an Rudolf als richtigem Ehemann. Vielleicht ist sie ja ganz froh darüber, dass er seine diesbezüglichen Energien ... auf mich umgeleitet hat.«
»Glauben Sie das ... oder wissen Sie es?«
»Kommt auf dasselbe hinaus. Also: Wer sollte mich schon niederschlagen wollen?«
»Derjenige, der auch Milena Ingwers getötet hat? Sie müssen zugeben, dass es gewisse Parallelen gibt. Die Vorgehensweise, der Ort, wo es passiert ist ...«
»Ich habe mit Milena Ingwers nichts gemein. Und ich bin bestimmt nur gestürzt, als ich nach meinen Pfauen schauen wollte!«
Broders sah sie nachdenklich an. Maren Rosinski fühlte, wie ihr unter seinem Blick unbehaglich wurde. »Was sind Ihre Pläne bezüglich Mordkuhlen?«, fragte der Polizist nach einer kleinen Pause.
Sie zog in gespielter Überraschung die Augenbrauen hoch und schwieg, doch er sah sie weiterhin auffordernd an.
»Das Haus ist ja nicht gerade in einem guten Zustand. Und von den Problemen mit dem Gesundheitsamt wissen Sie bestimmt auch schon«, sagte die Kriminalkommissarin. Ihr Begleiter warf ihr einen warnenden Seitenblick zu.
Juliane Timmermann hat gerade etwas zu viel gesagt, vermutete Maren Rosinski. Die Unstimmigkeit zwischen den beiden Polizisten gab ihr neuen Auftrieb. »Gesundheitsamt?«, fragte sie in unschuldigem Tonfall.
»Das Gesundheitsamt hat einen anonymen Hinweis erhalten. Auf Mordkuhlen soll es angeblich ein Problem mit Ratten geben.«
Maren Rosinski verzog das Gesicht. »Warum erfahre ich davon nicht von meinen Mietern? Mein Verwalter hier wird mit jeder Art von Schädlingen spielend fertig. Ein Anruf von Frau Seibel hätte genügt.«
»Was also haben Sie mit dem Haus vor?«, hakte Broders nach.
»Sie haben wohl schon davon gehört«, sagte Maren Rosinski mit einem kleinen Seufzer. »Ich muss verkaufen. Seit Jahren stecke ich in dieses Haus mehr hinein, als ich herausbekomme. Es ist ein Fass ohne Boden.«
Nun war es Broders, der erstaunt eine Augenbraue hob.
»Und die Mieter machen mir nichts als Ärger«, setzte Maren Rosinski aufgebracht hinzu. »Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Als Milena dort eingezogen ist, kam ihre Mutter zu mir und hat verlangt, dass ich sie rausschmeiße! Das steht mir alles bis hier.« Sie machte eine eindeutige Geste.
»Judith Ingwers wollte, dass Sie ihre Tochter vor die Tür setzen?«
»Ich habe nicht so genau verstanden, was sie konkret von mir erwartet hat. Es ging um Milena, so viel war klar. Um Sünde, Erbsünde und schlechten Einfluss. Sie hat mich angeschrien. Es kam zu einer hässlichen Szene hier vor der Tür. Mein Verwalter musste einschreiten, sonst wäre Judith handgreiflich geworden.«
»Und da sagen Sie, Sie wüssten niemanden, der Ihnen etwas Böses will?«, fragte Broders sanft.
»Ich kenne Judith von Kindesbeinen an. Vor der habe ich weiß Gott keine Angst.« Sie erinnerte sich an einen Abend vor etwa dreißig Jahren, als Judith vollkommen aufgelöst mit ihrem Kaninchen hier auf dem Hof aufgetaucht war. Ihr geliebter Mucki hatte eine hässliche Kopfverletzung gehabt und nur noch gezuckt. Marens Vater hatte Judith das Tier ganz sanft abgenommen und ihm hinter dem Stall das Genick gebrochen, um es von seinen Qualen zu erlösen. Warum war Judith damit zu ihnen, den Nachbarn, gekommen? Ihr Vater war, wie sie gesagt hatte, zu Hause gewesen. Damals hatte Maren vermutet, dass Hillmer zu betrunken gewesen war, um seiner Tochter mit dem
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