Ostseefluch
Schreibtischplatte hin und her. Er nahm einen Schluck schwarzen Kaffee, verzog das Gesicht und veränderte die Anordnung ein zweites Mal. Lag hier des Rätsels Lösung? War es so einfach? Wenn das Grundstück, auf dem Mordkuhlen lag, plötzlich eine nennenswerte Wertsteigerung erfahren hatte, weil man es nun bebauen durfte, waren die Mieter Maren Rosinski jetzt bestimmt lästig. Er vermutete, dass sie für das Haus in dem Zustand nicht viel Miete verlangen konnte. Da die Mieter dort mehr oder weniger in Eigenregie renovierten, wohnten sie wahrscheinlich für einen Appel und ein Ei. Die Frage war, ob die Rosinski sie so einfach loswerden konnte? Und wenn ja, wie lange das dauern konnte? Länger, als die Kaufinteressenten es für annehmbar hielten? Oder brauchte sie dringend Geld? Broders hatte gelernt, offen zur Schau getragenem Wohlstand gründlich zu misstrauen. Denjenigen, die finanziell richtig gut dastanden, merkte man es meistens nicht an, während die Protzer und Jetsetter sich oft am Rande eines Abgrundes bewegten. Wenn dem so war, war es Maren Rosinski vielleicht ratsam erschienen, auf die lästigen Mieter auf eher ungewöhnliche Art und Weise Druck auszuüben? Anonym das Gesundheitsamt zu informieren, falls sie sich über die Verhältnisse dort sowieso ärgerte, lag durchaus im Bereich des Vorstellbaren. Aber ein Mord?
Broders schüttelte den Kopf und ordnete die Karten noch einmal neu an. Nein, das Motiv war für einen Mord nicht einleuchtend. Maren Rosinski würde nicht einer ihrer Mieterinnen im Garten den Schädel einschlagen, in der vagen Hoffnung, dass die übrigen Bewohner dann freiwillig ausziehen würden. Lächerlich. Außerdem zeugte die Tat von Wut und Hass, ausgeführt im Affekt. Die Tatwaffe hatte, kurz bevor der Mörder zugeschlagen hatte, wahrscheinlich im Gemüsebeet gelegen, und er hatte wütend danach gegriffen und auf sein Opfer eingeschlagen.
Allerdings durften sie die Beziehung zwischen dem Opfer und Maren Rosinski auch nicht außer Acht lassen: Milena war die Tochter von Rosinskis Liebhaber. Ein altmodisches Wort, aber auf das Verhältnis der beiden passte es. Wenn sie die Tochter verletzte oder tötete, traf sie damit doch auch den Vater ... Das war noch mal ein Ansatzpunkt: Wut und Hass? Er musste das unbedingt mit Pia besprechen. Sie war bei dem letzten Gespräch mit Rudolf Ingwers dabei gewesen.
Broders stapelte die Kärtchen übereinander und klopfte sie wie ein Kartenspiel mit der Längskante auf die Tischplatte. Trotz allem, diese Kaufinteressenten sollten befragt werden. Persönlich. Zuzüglich einer gewissen Hintergrundrecherche. Er sah sich die oberste Karte an: Christian Klarholz – Immobilieninvestment CK .
Auf der Festnetznummer meldete sich nur eine Maschine. Dafür gehörte die Mobilnummer, die er vorhin mit Kugelschreiber auf seiner Hand notiert hatte, ebenfalls Christian Klarholz. Das war ja interessant! Es katapultierte diesen möglichen Käufer mal eben auf Platz eins der Rangliste. Schließlich hatte Maren Rosinski, unmittelbar nachdem sie sie verlassen hatten, versucht, diesen Klarholz anzurufen. Auf seinem Mobiltelefon.
Doch auch auf Christian Klarholz’ Handy bekam Broders nur eine Ansage zu hören.
Na gut. Broders streckte den müden Rücken durch. Zwei weitere Anrufe noch, dann würde er für heute auch Schluss machen. Die andauernde Hitzeperiode laugte ihn aus. Er war schließlich nicht mehr zwanzig. Und die meisten seiner Kollegen hatten längst Feierabend gemacht.
19. Kapitel
P ia fragte sich, ob das wirklich eine gute Idee von ihr gewesen war. Nein, bestimmt nicht. Wieso hatte sie sich bequatschen lassen, am Wochenende zu einem Land-Rover-Treffen zu fahren? Verdammte Neugier!
Sie hatte mit Lars Kuhn verabredet, dass er nicht erst die Treppe raufkommen, sondern nur kurz vom Mobiltelefon aus anrufen sollte, wenn er vor ihrem Haus stand. Lars war noch nie in ihrer Wohnung gewesen. Und das wird er auch nicht, dachte sie.
Warum hatte sie sich nur auf diese Unternehmung eingelassen? Die am leichtesten zu akzeptierende Erklärung war, dass sie unbewusst auf die Aussicht, so vielen Geländewagenbesitzern zu begegnen, reagiert hatte. Dann wäre ihr Interesse mehr beruflicher Natur. Ein Treffen mit lauter Fahrern dieser den Ölmultis freundlich gesinnten Vehikel war ihr wie eine sinnvolle Wochenendbeschäftigung erschienen. Sie suchten immer noch nach dem Wagen, der zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes gesehen worden war. Warum nicht das Angenehme mit dem
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