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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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klösterlichen Regeln allerdings, die allein sie zu bestimmen hätte. Und das junge Paar ließ sich darauf ein: aus wirtschaftlicher Not? Aus Ergebenheit? Aus innerer Verwirrtheit, die sich danach sehnte, von fester Hand geführt zu werden? Verwirrung machte sich nun auch unter den Gästen breit. Die einen wurden unmutig, weil ihnen, wie dem alten Weber »die janze Richtung« nicht paßte, die anderen freuten sich, daß jemand etwas unternahm, mochte es noch so verrückt klingen. Julia dachte über den Bibelvers nach, der von der verlorenen Liebe gesprochen hatte. Von der Ursprungsliebe. Und dem Verrat daran. Und fragte sich, was ihre Freundin Jeanette mit alldem zu tun haben könnte.

14
    Hello, you fool I love you. I hit the road out of nowhere, I had to jump in my car and be a rider in a love game following the stars. Don’t need no book of wisdom, I get no money talk at all....«

    Energisch geht die Percussion ans Werk, singt ihr das Duo seinen cleanen Song direkt ins Gesicht. Schwedischer Pop! Nicht leicht zu verkraften, wenn man selber müde und betrunken und noch immer nicht vollständig entliebt ist. Ein Mann tritt ihr auf den Fuß, entschuldigt sich, hat einen süddeutschen Akzent und heute sicher noch nicht gebadet. Der Atem klebt in den Bartstoppeln. Sofort schiebt sich eine Dunkelhaarige an seine Seite, wittert Kontaktaufnahme. So geht das nicht! Die Bar im Café Wetterstein ist voll, heiß, dröhnt vor Musik und schreienden Wünschen.

    »She says: Hello, you fool I love, come join my joyride. She’s a flower, I can’t pay her...«

    »Zu trinken?«
    Das ist der längste Satz, zu dem die Bedienung noch fähig ist. Sie benutzt die Innenseite der unendlich langen Theke, um sich daran entlangzuhangeln und so schneller von einem Gast zum nächsten zu kommen. Zu trinken?
Was schon - Bier. Bier oder irgend etwas, nur daß sie sich daran festhalten kann und die Verwirrung von Mariannes Fest herunterspülen.
    Sie schaut sich um. Noch dunkler, noch schwüler als bei ihrem ersten Besuch erscheint ihr die Atmosphäre jetzt. Wochenendgäste sind auf die Insel gekommen, sie wohnen allesamt im Hotel Pirat, dessen Wirt immer die Wettersteinbar empfiehlt. Und so umdrängen sie die Theke: die früh gealterten Ehepaare aus dem Westen in ihrer teuren Freizeitkleidung. Verwirrte junge Paare, die wahrscheinlich einfach eine günstige Reise haben buchen wollen und sich nun in der Zwangsgemeinschaft von Pauschaltouristen wiederfinden, mit der sie nichts anzufangen wissen. Ein paar offenbar alleinreisende Damen, alle sorgfältig frisiert, jede mit einer immer noch phantastischeren Haartönung als die andere. Ein massiger Typ mit bunt bedrucktem Hemd und Kettchen am Handgelenk, ein kleiner, schmaler mit hängendem Schnurrbart, der immerfort nervös an seiner Zigarette saugt und auf die Uhr blickt, als könne jeden Augenblick noch ein Nachtzug eintreffen. Und Jan. Ohne Renate. Und ein taumelnder, ziemlich lauter Weber, immer noch hin und wieder »Harry, Harry« rufend, aber schon ohne rechten Glauben daran, ein Beutelchen schwenkend, wahrscheinlich mit den Resten von Mariannes Fest darin. Die junge Maushaarige aus der Sauna mit ihrem Rosenkleid. Der Seiko-Mann. Hilda, stolz und schön wie stets, aber mit ein paar Schweißperlen auf der Oberlippe. Wo ist Anne?
    Jemand zieht sie am Arm - Jan. Irgendwo im Gewühl war einmal eine Tanzfläche, da, wo es am heftigsten wabert und raucht und schrille Frauenstimmen vergebens versuchen, sich Gehör zu verschaffen, da, wo die Bedienung jetzt entschlossen ein chromblitzendes Tablett über die irren Köpfe hebt und »Bier! Daiquiris! Soda!« schreit. Da will Jan hin.

    »Das ist mein Song!« sagt er.
    Und sie tanzen, schon als die ersten scharfen Synthesizer-Klänge die Luft durchschneiden, bevor noch der Rhythmus Besitz ergriffen hat von ihren Armen und Beinen, die Bässe auf den Magen einboxen und sirrende hohe Töne durch die Ohren kreiseln.
    »Rhythm is a dancer, you can feel the air, it’s a passion, you can fill the air...«
    Jan tanzt gar nicht schlecht, soweit man das in dem Gedränge überhaupt beurteilen kann, er reißt sie mit und quittiert jeden ihrer Schritte mit einem bewundernden Blick, er antwortet auf jede ihrer Gesten - instinktiv, körperlich. Noch nie haben sie zusammen getanzt, dabei kennen sie sich jetzt schon eine ganze Weile. Kennen sie sich? Statt so viel zu reden, sollte man gleich zusammen tanzen! denkt Julia, aber da fällt ihr die Party aus ihrer Kindheit

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