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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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ahnungslosen Frau, und so hatten ihm die Höllenhüter elf Krakenarme verpaßt, für elf Millionen Jahre Büßerdasein, und wie man es auch drehte und wendete, war es doch immer ein Arm zu viel oder einer zu wenig, mit elf Armen konnte selbst eine ausgemachte Krake ihr Gleichgewicht nicht halten, und so taumelte das arme Vieh mehr oder weniger besinnungslos durch die Tiefsee...
    Die Kinder lauschten atemlos.
    Und hatten sie gewußt, daß es unter Wasser auch Wespen gab? Ja, richtige Wespen, Seewespen allerdings, die mit den
an Land lebenden nichts gemein hatten, außer daß eine Begegnung mit ihnen für den Menschen höchst ungemütlich war. Die Wespen an Land indessen waren, verglichen mit den unterseeischen, liebe kleine Schnuckeltiere, Seewespen gehörten zu den gefährlichsten Tieren überhaupt. Obwohl - hier klopfte Malte effektsicher an den Eimer -, obwohl sie kaum größer als diese harmlosen Quallen hier waren und, genau genommen, sogar mit ihnen verwandt!
    Sandra rutschte ein bißchen näher zu ihrer Mutter hin, die sich sogleich zurückzog. Es erinnerte Julia an ihre eigene Mutter, wie sichtlich unangenehm Mady die Berührung ihrer Tochter war. Oder wollte sie nur vor Malte nicht als Mutter dastehen? Aber immerhin erzählte er diese wilden Geschichten hauptsächlich den Kindern, und hauptsächlich ihnen zuliebe sprach er auch ein für Detmolder Kinder verständliches Deutsch. Kein Zweifel, Malte mochte Kinder, und Julia wurde das Gefühl nicht los, daß er an Madys Seite womöglich sehr viel passender gewesen wäre als der ewig wie ein Student wirkende Jörg mit seinem Traum von einem schwedischen Literaturzentrum... Irgendwie war das alles furchtbar falsch. Wären das hier Figuren auf einem Brettspiel gewesen, man hätte sie leicht austauschen können, ohne große Dramen - und alles wäre an seinem richtigen Platz gewesen. Im Leben aber verlangten alle stets Durchhalten, und einmal eingeschlagene Wege wurden konsequent bis zur Selbstzerstörung zu Ende gegangen, niemand wußte so recht, warum.
    »... und dann ham diese Kinners da einfach im flachen Wasser gebadet«, erzählte Malte gerade. »War ja worm, war ja weit und breit nischt zu sehen. Kannste ja ooch nich sehen, kannste ja nich, das is ja grad’ das Fiese bei den Biestern...«.
    Die zweite Flasche Bier ließ Malte seinen Vorsatz, Hochdeutsch zu sprechen, in Windeseile vergessen, und weiter ging die Geschichte von den sagenhaften australischen Seewespen,
die über ein so hochgefährliches Gift verfügten, daß selbst die Marine in Sydney Respekt hatte und Badenden zwischen Mai und Oktober empfahl, doch lieber in den Pool als in den Pazifik zu springen. Leider hielten sich nicht alle daran, und so gerieten die leichtsinnigen Urlauber dann mir nichts, dir nichts in die Fänge von »Chironex fleckeri«. Malte senkte die Stimme, als er den geheimnisvollen Namen aussprach. »Chiro-nex flek-ke-ri.«
    Die Kinder versuchten den Namen zu wiederholen.
    Fußballgroß würden diese Ungeheuer, erzählte Malte, und das Gemeine daran, das Allergemeinste: Sie waren durchsichtig! Und dann hätten sie Tentakel, also solche Greifarme, mit denen sie jagen und fangen, die könnten leicht hundertfünfzig Meter erreichen. Und in diesen Armen hätten sie Millionen und Abermillionen giftiger Nesselkapseln versteckt. Das Gift einer einzigen Seewespe würde ausreichen, zehn Schulklassen umzubringen! Zum Glück, fuhr Malte besänftigend fort, mochten Seewespen eigentlich keine Schulklassen, sie hätten es mehr auf Fische oder jedenfalls auf Erwachsene abgesehen. Aber wehe dem, der ihnen in die Fänge geriete! Betroffene spürten meist nur etwas wie rasche, sehr scharfe Peitschenhiebe - Malte wand sich jetzt in nachgemachten spastischen Zuckungen -, mit Glück spürten sie danach nicht mehr viel. Das Gift der Wespe lähmt ihr Opfer in Sekundenschnelle und dann... - Malte setzte effektsicher eine Pause und nahm einen tiefen Schluck. Freilich gebe es auch Leute, die so einen Angriff überlebten, aber die blieben ihr Leben lang von Narben entstellt.
    Malte machte wieder eine Pause und schloß: »Jo, Kinners, wenn das man kein Fegefeuer ist. Ich finde, für manche is’ die himmlische Strafe dann gleich hier erledigt...«
    Er schaute sich um, zufrieden mit seiner Geschichte. Die Kinder gruselten sich wohlig.

    »Gibt es denn kein Gegengift?«
    Die Frage kam von Jenny, die offenbar stolz war, das schwierige Wort zu wissen.
    »Gegengifte nützen nischt, Jenny. Das is’ ja das

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