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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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ihrer Rückkehr an ihre Nachbarn und Kinder weitergeben sollten. Aber die Männer waren, wie sie halt waren, sie hatten offenbar anderes im Sinn. Mit anderen Worten: Sie wurden nicht mehr gesehen! Aktenkundig blieb diese Episode jedoch als erster Versuch einer ordentlichen Umschulung: vom Matrosen zum Studiosus! Na denn Prost!«
    Anne Bult hob zum Scherz ihre Teetasse, und Jeanette stieß mit ihr an, daß es klirrte.

12
    Lieber Jahn,
    sagen Sie mir doch um Gottes Willen einmal, warum ich ausgerechnet im Herbst auf diesem Inselchen ausharren muß!?! Ja, ich weiß, ich weiß, die Pläne! Das Theaterstück, das ich Ihnen (und mir) schreiben will - aber Herrgott, Sie wissen doch so gut wie ich, daß das Drama einen Namen hat - einen weiblichen Vornamen, und das ich diesem Vornamen so fern bin wie ein hiesiger Windflüchter der Karibik. Ach, flüchten täte auch ich besser!
    Aber, mein bester Freund, nicht, daß Sie dächten, ich arbeitete nicht! Tagaus, tagein befehle ich mich für einige Stunden an den Schreibtisch und skizziere unverdrossen ein paar Szenen. Was halten Sie von der Idee, einige Passagen für Tänzer einzufügen? - Ich kenne da ein paar vortreffliche! Außerdem geht mir das ganze summende, ewige Bühnengerede schon seit geraumer Zeit auf die Nerven: Immer so hochtönend, immer so feierlich, als wäre es eine Fronleichnamsprozession. Ich bin doch nicht Hauptmann! Ich weiß auch nicht, ob darin die Zukunft der Bühne liegen soll. Betrachten Sie doch nur einmal die Bilder dieser russischen Fortschrittlichen, die Zuber nach Berlin geholt hat. Was für eine Kraft darinnen! Welch eine künstlerische Potenz! Und wovon handeln die Bilder? Von Geschwindigkeit, von Maschinen. Ich träumte, ich könnte ein Stück für Maschinenmenschen
schreiben. Die enttäuschen auch nicht so sehr ... Ich fürchte, ich verärgere Sie in meiner maroden Verfassung; es ist ja auch kein Wein mehr im Haus!
    Es ist indessen nicht so, daß ich mich komplett gehen ließe. Nein, mein tägliches Laisser-faire beschränkt sich aufs Ausschlafen (bis gegen Mittag) und aufs Sanddornschnapsschlürfen zur Teestunde. Allein, es nützt nichts. Die wohltuende Wirkung der Seeluft will sich nicht einstellen, die innere Spannung, Sie wissen warum, ist zu groß. Da hilft auch kein Sanddorn.
    Selbst die Spaziergänge, die doch erhitzte Gemüter beruhigen sollen - beruhigen sollten! -, sind derzeit nicht dazu angetan, mich in bessere Stimmung zu versetzen. Wie auch! Der gute, alte Höhenweg, bei dessen gemächlichem Beschreiten Sie mir im Sommer noch angenehme Gesellschaft leisteten, ist zu einem Dschungelpfade verkommen, ein vermaledeiter Urwaldweg ist das, überwuchert von Knöterichen und dornigem, unfreundlichem Gestrüpp. Der Vergleich mit meiner Seele ist naheliegend und nicht falsch, mein Lieber.
    Und wendet man den Blick nach unten, zur See hin, so entpuppt sich das sogleich als gänzlich ungeziemender Leichtsinn: Was braut sich das Meer da für ein giftiges Süppchen! Hexengrün und schaumweiß brodelt es von da unten herauf. Gar nicht heimelig, gar nicht einladend! Ich komme mir vor wie hinausgeworfen - überall, nun auch hier. Und die Dame meines Herzens tanzt auf demselben herum mit grobianischen Schritten. Schicken Sie mir einen Scheck? Ich hab’s nötig; im »Haus Herzen« leidet’s mich nicht mehr, und die Wirtin akzeptiert auch Wechsel. Wahrscheinlich traut sie fremden Bankkonten mehr als meinem. Wie recht sie hat, die gute Seele.
    Ich grüße Sie in milder Traurigkeit, Ihr
Ladestein
    »O je, wie melancholisch der Ärmste war! Ein bißchen mehr gutes Essen und ein bißchen weniger Alkohol hätten der lieben Seele sicher gutgetan, was?«
    Warum hatte Julia sich nicht eher einmal auf den Weg zu Marianne Brants Gastwirtschaft gemacht? Als sie das versteckt liegende Anwesen zum ersten Mal gesehen hatte, erschien es ihr als besonders angenehmer Ort. Die Restauration lag nicht weit von der Stelle, an der Anne Bult und Julia in jener dramatischen Nacht die Stute Leila entdeckt hatten. In der Dunkelheit und bei der Aufregung hatte Julia nicht wahrgenommen, daß sich ganz in der Nähe eine kleine Schlucht befand, ein Einschnitt, mitten im Berg. Dort wuchsen im Sommer Blumen, so versicherte Anne, die es sonst nirgends auf der Insel gab. Den »Elfenhain« nannten die Stiftsdorfer das Grün rings um diese Schlucht, denn wenn in der Dämmerung Nebelschwaden aufstiegen, konnte man diese mit einiger Phantasie tatsächlich für tanzende kleine Geister

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