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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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halten.
    Sie alle hatten sich bei Marianne Brant eingefunden: Mady Runge und ihr Mann Jörg hatten für Marianne einen schweren Karton voller Bücher mit einem Handkarren hinaufgezogen. Auch Renate, Malte und Anne waren dabei und Willem Johannsen, der die Wirtin Marianne »gut leiden« konnte, wie er sagte. Und Jeanette natürlich, »der Besuch«, der sich vor allem »diesen Minarek mal in Ruhe anschauen« wollte. Jeanette hatte »ihre Schatzkiste« mitgebracht, die Briefe und Notizen Ladesteins, die sie im Haus von Gertrud Kühnel in Berlin gefunden und die die alte Frau ihr tatsächlich mitgegeben hatte. Jeanette und Julia hatten begonnen, sich vor dem Schlafengehen im kleinen Gartenhaus einige Abschnitte vorzulesen, das meiste war ohne Mühe zu entziffern, denn Ladestein hatte seine Briefe, auch die privaten, bevorzugt auf seiner geliebten Reiseschreibmaschine geschrieben. Und natürlich war es Jeanettes Idee gewesen, einige
der noch nicht gelesenen Schriftstücke mit hierher zu nehmen, aus dem nachmittäglichen Treffen eine Art Lesestunde zu machen, was bei Anne sofort auf lebhafte Zustimmung gestoßen war. Schließlich mußte Jeanette auch schon wieder an die Heimreise denken, und noch war nicht entschieden, was mit den Ladestein-Dokumenten geschehen sollte. Hierbehalten konnte man sie schlecht. - Aber wozu sie Jeanette mitgeben, die zu Hause genug mit anderen Dingen zu tun hatte?! Also hatten sie die Ladestein-Schriftwechsel dabei. Und lasen. Über die Schreibmaschine.
    Klappa-rapp so klingt die Leier, klappa-rapp frühmorgens schon.
    Klappa-rapp, das ist vertrauter und geliebter Schlafloston.
    Mädchen liegt noch in den Federn, Mädchen träumt und räkelt sich.
    Mädchen zeigt mir nackte Schulter, Mädchens Brust versetzt mir Stich.

    Klappa-rapp, so mahnt Maschine, klappa-rapp, es ist schon Zeit.
    Dichten ist nicht Kuß in Versen, Dichten, das ist Fleißarbeit!
    Seufzend steig’ ich in die Hosen, seufzend nutze ich das Bad,
    Vierzig Mark im Monat Miete, da ist Arbeit guter Rat.

    Und mein Blick fällt aufs Maschinchen, auf die treue Seele da.
    Gut, ihr Fleisch ist sehr viel kühler, Knochen seh’ ich hie und da.
    Dafür ist sie auch robuster, verträgt so manchen üblen Knuff,

    Nichts nimmt Gabriele übel, keine Fluchten, kein Kabuff.

    Im Grand-Hotel war sie stets bei mir, zugegeben: Lang ist’s her,
    den Feinen war sie wohl zu lärmend, fanden’s Klappern »sährr vulgärr«!
    Und so sind wir glücklich abgestiegen, bei Frau Meier in Pension.
    Kaffee gibt es morgens keinen, auch keine Bar, was macht das schon!

    Bin alleine mit der treuen, mit der emsigsten der Tippsen
    die stets mitspielt, die stets wartet, zuckt auf jedes Fingerstippsen.
    Braves Mädchen, Gabriele, bist ein unverwüstlicher Kumpan,
    Für deinen willigen, doch schwachen, meistens müden Schreibgalan.

    Her das Papier! Und her mit den Ideen!
    Wir wollen’s heute wieder wüste treiben.
    Und dieses nackte Mädchen da, das wird schon sehen:
    Was wir drechseln, wird länger als ihre Küsse bleiben.
    Sie lachten.
    »Was für ein wundervoller Spinner!« sagte Mady. »Da hört man doch schon förmlich eine Melodie dazu. Das könnte man herrlich singen!«
    Sie hatten in einer Ecke der großen Gaststube Platz genommen. Eine Falttür trennte diese von einem weit größeren Raum, einem regelrechten Saal, der, wie Julia beim Eintreten
bemerkt hatte, sogar über eine Bühne verfügte und Platz für etwa zweihundert Menschen bot. Die benachbarte Gaststube wirkte anheimelnd, obwohl das Mobiliar aus allen möglichen Gegenden und Zeiten zusammengesucht schien. Verschossene grüne Brokatsessel standen neben ehemals eleganten, ledernen Freischwingern. In einer Ecke eine Gruppe von Korbstühlen. Und die Tische erst! Kleine weiße Marmortische, wie sie in den Wiener Caféhäusern seit der Jahrhundertwende üblich waren, standen Seite an Seite mit robusten Resopaltischen, an denen eine Großfamilie Platz gefunden hätte. Tischdecken gab es keineswegs überall; nach einer nicht ohne weiteres einsehbaren Regel waren einige Tische von leinenen Überwürfen bedeckt, andere waren leer ausgegangen, dafür standen verschiedene Aschenbecher auf den Platten, Souvenirs offenbar, mit Aufschriften aus Rom, Rimini und Capri. An den hohen Wänden, bis in Übermannshöhe dunkel vertäfelt, hatte irgendein emsiger Jäger seine Trophäen aufgehängt: Rehbockgeweihe, Fasane, ja sogar ausgestopfte Wildschweinschädel mit mächtigen Hauern, alle aus der Zeit, als es auf der

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