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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Es ist ein ziemlich unheimliches Gefühl, seinen Namen zu verlieren. Aber vielleicht nicht so sehr, wenn der Name gar nichts bedeutet.«
    »Es ist dennoch unheimlich.« Paul rang mit den neuen Ideen, die plötzlich wie Käfer durch seinen Kopf krabbelten. »Und wo bin ich? Was für ein Ort ist das hier?«
    »Der Namenlose Wald natürlich. Wie sollte er sonst heißen?«
    »Aber wo liegt er? In welchem Land?«
    Hans Wäldler lachte. »Im Land des Königs, nehme ich an. Im Land des alten Königs, heißt das – wobei ich Euch so viel Verstand zutraue, daß Ihr ihn unter Fremden nicht so nennt. Aber Ihrer Hoheit könnt Ihr erzählen, ich hätte das gesagt, wenn Ihr sie trefft.« Sein Lächeln leuchtete kurz im Dunkeln auf. »Ihr müßt wirklich von weit herkommen, daß Ihr Euch um solche schulmeisterlichen Sachen wie Ortsnamen kümmert.« Er hielt an und streckte den Finger aus. »Dort ist es, wie ich es gehofft hatte.«
    Sie waren auf einer Anhöhe am Rand eines schmalen Tals stehengeblieben. Die Bäume senkten sich mit dem sanft abfallenden Hang, und zum erstenmal konnte Paul ein Stück weit schauen. Auf dem Grund des von den Hügeln eingefaßten Tals funkelten Lichter.
    »Was ist dort?«
    »Ein Wirtshaus und ein guter Ort.« Hans Wäldler klopfte ihm auf die Schulter. »Von hier aus werdet Ihr Euern Weg ohne Mühe finden können.«
    »Kommt Ihr denn nicht mit?«
    »Nein, heute nacht nicht. Ich muß noch was erledigen und anderswo schlafen. Aber Ihr werdet dort finden, was Ihr braucht, denke ich.«
    Paul blickte dem Mann ins Gesicht, um durch das nächtliche Dunkel seine Miene zu erkennen. Hatte er mehr im Sinn, als er sagte? »Wenn wir uns hier trennen, möchte ich Euch danken. Ihr habt mir wahrscheinlich das Leben gerettet.«
    Hans Wäldler lachte abermals. »Bürdet mir nicht eine solche Last auf, guter Herr. Wo ich hingehe, kann ich kein schweres Gepäck gebrauchen. Lebt wohl.« Er drehte sich um und schritt wieder den Hang hinauf. Wenig später hörte Paul nur noch die Blätter im Wind rascheln.
     
    Nach dem im Wind schaukelnden Schild über der Eingangstür hieß das Wirtshaus »Zum Traum des Königs«. Es war ein rohes Schild, so als ob es hastig als Ersatz für einen früheren Aushang angebracht worden wäre. Der unter dem Namen aufgemalten kleinen Figur war das Kinn auf die Brust gesunken und die Krone über die Augen gerutscht. Paul blieb einen Augenblick am Rande des Lampenscheinkreises stehen, der wie eine Pfütze vor der Tür lag, und fühlte die große unwegsame Masse des Waldes in seinem Rücken atmen wie ein dunkles Tier, bevor er ins Helle trat.
    Ungefähr zehn bis fünfzehn Leute waren in dem niedrigen Raum versammelt. Drei davon waren Soldaten in Waffenröcken, die so blutrot waren wie der Braten, der sich an einem Spieß über dem Kaminfeuer drehte. Der für den Spieß zuständige Junge, der dermaßen rußbedeckt war, daß das Weiße seiner Augen förmlich blitzte, warf Paul beim Hereinkommen einen verstohlenen Blick zu und wandte sich dann mit einem Ausdruck, der Erleichterung bedeuten konnte, rasch wieder ab. Die Soldaten sahen Paul ebenfalls an, und einer von ihnen rückte auf ihrer gemeinsamen Bank ein Stückchen nach unten, dorthin wo ihre Piken an der weißgetünchten Lehmwand lehnten. Die übrigen Schankgäste, in grober Bauerntracht, schenkten ihm die Beachtung, die jeder Fremde erhalten hätte, und verfolgten ihn mit den Augen, als er auf die Theke zuschritt.
    Die Frau, die dort auf ihn wartete, war alt, und ihr von Hitze und Schweiß verstrupptes Haar sah ein wenig aus wie das Fell eines Schafes, das bei schlechtem Wetter die Nacht draußen verbracht hatte, aber die Unterarme mit den aufgekrempelten Ärmeln wirkten kräftig, und ihre Hände waren rosig, schwielig und Zupacken gewohnt. So wie sie sich auf die Theke stützte, war sie offensichtlich müde, aber ihr Blick war scharf.
    »Wir haben keine Betten frei.« Sie hatte einen merkwürdig verkniffenen Ausdruck im Gesicht, den Paul sich zunächst nicht erklären konnte. »Diese tapferen Soldaten haben soeben die letzten belegt.«
    Einer der Männer im roten Rock rülpste. Seine Kumpane lachten.
    »Ich hätte gern was zu essen und zu trinken.« Eine vage Erinnerung daran, wie solche Geschäfte abliefen, begann sich in Paul zu regen. Ihm wurde plötzlich klar, daß er nichts als Luft in den Taschen hatte und keine Börse oder Brieftasche. »Ich habe leider kein Geld. Vielleicht könnte ich etwas für Euch arbeiten.«
    Die Frau beugte sich

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