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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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scharf, und es hatte Stellen, an denen die Rekonstruktion weitgehend ein Rätselraten war, aber wer die Stadt schon einmal gesehen hatte, konnte es als ihre Wiedergabe erkennen.
    »Jetzt können wir anfangen zu suchen.« Susan legte den Kopf auf die Seite. »Obwohl es irgendwie immer noch nicht ganz richtig ist.«
    »Es sieht nicht mehr real aus«, sagte Renie. »Es hat die Lebendigkeit von vorher verloren – zwangsläufig, denn es ist eine plane, unbewegte, total rekonstruierte Version. Aber diese Lebendigkeit hat die Wirkung des Originals mit ausgemacht. Es war, als würde man durch ein Loch im Computer auf eine richtige Stadt blicken.«
    »Damit dürftest du recht haben. Und trotzdem ist es die irrwitzigste Stadt, die ich je gesehen habe. Wenn es sie wirklich gibt, muß sie eine von diesen Fertigbaumonstrositäten aus Fibramic sein, die sie über Nacht im Malaiischen Archipel und ähnlichen Gegenden aus dem Boden stampfen.« Sie rieb sich die Knie. »Diese verdammten Sensoren scheuern mir langsam die Beine wund. Ich fürchte, ich muß Feierabend machen, meine Liebe. Aber ich werde anfangen, die Spezialnetze nach etwas Ähnlichem abzusuchen – du arbeitest noch nicht wieder, nicht wahr? Dann kannst du mich das doch machen lassen. Ich habe mindestens drei Vertragspartner, auf deren Kosten ich das abwickeln könnte – multinationale Konzerne mit Datenfilterprojekten mit einem Volumen von einer Million Menschstunden, die das bißchen Verbindungszeit mehr nie merken werden. Außerdem habe ich eine Freundin – Bekannte trifft vielleicht eher zu – namens Martine Desroubins, die eine absolute Spitzenrechercheurin ist. Ich werde mal nachhören, ob sie eine Idee hat. Vielleicht wird Martine sogar ein bißchen kostenlose Hilfe beisteuern, da es ja für eine gute Sache ist.« Sie musterte Renie mit dem bekannten scharfen, prüfenden Blick. »Es ist doch für eine gute Sache, oder? Diese Angelegenheit ist dir persönlich sehr wichtig.«
    Renie konnte nur nicken.
    »Also dann. Und jetzt ab die Post. Ich rufe dich an, wenn ich auf irgendwas stoße.«
    Dako erwartete sie im Erdgeschoß vor dem Aufzug. Wie durch Zauberei stand bereits der Wagen draußen vor der Tür.
    Renie umarmte Doktor Van Bleeck und drückte ihr einen Kuß auf die gepuderte Wange. »Vielen Dank. Es war sehr schön, dich wiederzusehen.«
    Susan lächelte. »Du hättest mit dem Besuch bei mir nicht zu warten brauchen, bis du von VR-Terroristen gejagt wirst, finde ich.«
    »Ich weiß. Trotzdem vielen Dank.«
    !Xabbu reichte der Professorin die Hand. Sie hielt sie einen Moment und sah ihn mit klaren Augen an. »Es hat mich sehr gefreut, dich kennenzulernen. Ich hoffe, du besuchst mich einmal wieder.«
    »Das würde ich sehr gerne.«
    »Gut, abgemacht.« Sie fuhr mit dem Rollstuhl vor die Tür, während die beiden in den Wagen stiegen, und winkte ihnen im Schatten der Veranda zu, während Dako dem langen Bogen der Auffahrt folgte und dann auf die Allee fuhr.
     
    »Du siehst sehr traurig aus.« !Xabbu hatte sie unangenehm lange angeschaut.
    »Nicht traurig. Bloß … enttäuscht. Jedesmal, wenn ich denke, es täte sich vielleicht irgendwas auf, laufe ich gegen eine Mauer.«
    »Du solltest nicht ›ich‹ sagen, sondern ›wir‹.«
    Seine feuchten braunen Augen blickten tadelnd, aber Renie brachte nicht einmal mehr die Kraft auf, sich schuldig zu fühlen. »Du hast mir sehr geholfen, !Xabbu . Gar keine Frage.«
    »Ich spreche nicht von mir, sondern von dir. Du bist nicht allein. Schau mal, heute haben wir mit dieser klugen Frau gesprochen, deiner Freundin, und sie wird uns bestimmt helfen. Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit gibt Kraft.« !Xabbu breitete die Hände aus. »Vor den großen Mächten, vor dem Brüllen des Sandsturms sind wir alle klein.«
    »Das hier ist mehr als ein Sandsturm.« Renie fingerte instinktiv nach einer Zigarette, bevor ihr einfiel, daß sie im Bus nicht rauchen durfte.
    »Wenn ich nicht völlig verrückt bin, ist das hier größer und merkwürdiger als alles, wovon ich je gehört habe.«
    »Aber das ist genau die Situation, in der du dich an die Leute wenden mußt, die dir helfen werden. In meiner Familie sagen wir: ›Ich wünschte, es wären Paviane auf diesem Felsen.‹ Allerdings nennen wir sie ›die Leute, die auf den Fersen sitzen‹.«
    »Wen nennt ihr so?«
    »Die Paviane. Ich habe beigebracht bekommen, daß alle Geschöpfe unter der Sonne Menschen sind – so wie wir, nur anders. Das ist keine Einstellung, die den Städtern

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