Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
Kreis von der Größe eines Pokerchips heraus. »Und ich werde sie kriegen.«
»Was ist das?«
»Zauberer sind nicht die einzigen Leute, die hexen können.« Orlando ließ den Kreis auf den Boden fallen, dann ging er in die Hocke und zog an den Rändern, bis das Ding wie ein tellergroßer Straßenschacht aussah. »Beezle! Komm raus!«
Das watschelnde Etwas mit den zu vielen Beinen kraxelte aus dem schwarzen Kreis hervor. »Reg dich ab, Boß«, muffte es, »ich bin ja schon da.«
»Was machst du da?« Fredericks war so geschockt, daß Orlando fast gelacht hätte – sein Freund hörte sich an wie ein altes Weib. »Du kannst das Ding nicht hier reinhäcken! Unangemeldete Agenten sind in Mittland nicht erlaubt!«
»Ich kann alles machen, wenn ich es hinkriege, daß das Gear funktioniert.«
»Aber du wirst für alle Zeit Spielverbot bekommen! Nicht bloß Thargor – du!«
»Nur wenn jemand petzt. Und wer sollte das sein?« Er fixierte Fredericks streng. »Verstehst du jetzt, warum ich diesen Sieg nicht melden werde?«
»Aber wenn jemand das Protokoll checkt?«
Orlando seufzte zum zweitenmal in kurzer Zeit. Diese Debatten mit Fredericks konnten sich tagelang hinziehen. »Beezle, nimm diesen Knoten auseinander. Besorg mir jede damit zusammenhängende Information, die du kriegen kannst, aber konzentriere dich auf ein- und ausgehende Datenübertragungen.«
»Reicht fürs erste.« Der Comickäfer plumpste wieder in das Loch, und augenblicklich ging ein Höllenlärm von Motorsägen und Tischlerhämmern los.
Orlando wandte sich wieder seinem Freund zu. »Niemand wird das Protokoll checken, solange Senbar-Flay das nicht beantragt, und das wird er nicht tun, wenn er etwas zu verbergen hat.«
»Und wenn er nichts zu verbergen hat?«
»Dann muß ich ihn wohl um Entschuldigung bitten, was? Oder ihm wenigstens einen neuen Greif kaufen.«
Orlando zog an dem geöffneten Datenfenster, bis es ihm die Sicht auf Fredericks’ finsteres Gesicht versperrte. Er machte den Hintergrund dicht, damit ihm die mißbilligende Miene nicht durch die Lücken entgegenstarrte, und betrachtete die leuchtenden Zeichen, die Beezle ausspuckte.
»Er heißt Sasha Diller. Nie gehört. Du?«
»Nein.« Fredericks klang entschieden unwirsch. Vielleicht überlegte er, mit was für Beschneidungen seiner Bürgerrechte in Mittland er rechnen mußte, wenn das Hohe Schiedsgericht von dieser Sache Wind bekam.
»Gemeldet in Palm Beach Inner. Hm. Ich hätte gedacht, ein reicher Junge könnte sich was Besseres leisten – bis auf den Wachgreif ist alles von der Stange.« Er ließ seine Augen das Fenster hinunterwandern. »Zwölftes Level – hätt ich mir denken können. Gespräche? Kaum welche. Ein paar Codes hier kenne ich nicht. Hmmm. In letzter Zeit war er wenig da.« Orlando deutete auf einen Abschnitt des Fensters, und der rekonfigurierte sich. Er brummte überrascht.
»Was ist?«
»Er ist in den letzten sechs Monaten genau zweimal hier gewesen. Zwei Tage hintereinander. Am zweiten Tag hat er mir den Auftrag gegeben.«
»Komisch.« Fredericks blickte auf Senbar-Flays unbewohnten Körper nieder. »Komm, hol die Daten raus, die du haben willst. Wir sollten zusehen, daß wir uns dünn machen.«
Orlando lächelte. Er wußte, daß das seinem Sim kaum anzusehen war - Thargor war kein großer Lächler. »Du bist mir der richtige Dieb. Ist das die Art, wie du deine kleinen Jobs erledigst? Wie ein Bubi, der sich heimlich zu seinen Weihnachtsgeschenken schleicht, um mal dran zu schütteln?«
»Pithlit verstößt nicht gegen die Regeln von Mittland.« Fredericks’ Stolz war verletzt. »Er fürchtet sich vor nichts, allzu sehr – aber mir ist unwohl bei der Aussicht, lebenslanges Spielverbot zu kriegen.«
»Okay. Wie es aussieht, wird es sowieso lange dauern, bis dieser Typ wieder mal aufkreuzt.« Orlando wollte gerade das Fenster schließen, da fiel sein Blick auf etwas, und er hielt inne und vergrößerte es noch einmal. Er starrte längere Zeit darauf, so lange jedenfalls, daß sein Freund nervös von einem Fuß auf den anderen trat, dann schloß er es und schickte die Daten an sein Heimsystem.
»Was ist? Was war da?«
»Nichts.« Orlando blickte in das Loch hinab. »Beezle? Bist du fertig?«
Wie zum Trotz ließ sich der Agent von oben an einem Seil herab, von dem Orlando wußte, daß es nicht zur Turmausstattung des Zauberers gehörte. »Kommt drauf an, was du unter fertig verstehst, Boß. Wie feingesiebt willste die Daten haben? Den ganzen
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