Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Jahren nicht mehr gesehen hatte.
    Was hat sie herausgefunden? Was ist, wenn wir diesen Murat Sagar Singh nicht aufspüren können? Oder was ist, wenn doch, aber er gar nicht weiß, was Susan für so bedeutsam hielt?
    Der Gedanke, daß sie diesen gräßlichen Anschlag auf ihre Professorin verursacht haben könnte, war schrecklich, aber niederschmetternd war auch die Vorstellung, daß Susan kurz davor bei ihrer abendlichen Arbeit im Labor vielleicht alle möglichen wichtigen Entdeckungen gemacht hatte, sich sogar die Zeit genommen hatte, ihr eine Nachricht zu hinterlassen, ohne jedoch irgend etwas davon festzuhalten. Wer hätte damit gerechnet, daß sich alles so schnell verändern würde? Aber so war es gekommen.
    Renie hatte gerade das nächste Päckchen Zigaretten aufgemacht, aber jetzt ließ sie es auf den Schreibtisch fallen und wies ihr Pad an, bei Susan zuhause anzurufen, weil sie hoffte, Jeremiah Dako dort zu erreichen. Trocken und forsch kam die Stimme der Professorin vom Anrufbeantworter.
    »Hier ist Susan Van Bleeck. Ich bin momentan mit etwas Interessantem beschäftigt. Ja, in meinem Alter. Bitte hinterlaß mir eine Nachricht.«
    Einen Augenblick lang brachte Renie kein Wort heraus, aber als sie die Sprache wiedergefunden hatte, bat sie Jeremiah, sie so bald wie möglich zurückzurufen.
    Sie griff wieder nach ihren Zigaretten und schob die Prüfungsschablone in die Mitte des Bildschirms zurück.
     
     
    > Jeremiah Dako blieb an der Fahrstuhltür stehen. »Ich kann mir das nicht heute nochmal ansehen.« Seine Augen waren rot, und er sah zehn Jahre älter aus als bei ihrer ersten Begegnung. »Es macht mich zu wütend, zu traurig.«
    »Kein Problem.« Renie ließ !Xabbu aussteigen und tätschelte Dakos Arm. »Danke, daß du uns schauen läßt. Ich hoffe, wir finden etwas. Wir kommen nach oben, wenn wir dich brauchen.«
    »Die Polizei hat schon alles durchgekämmt. Es spielt wahrscheinlich keine Rolle mehr, was ihr anfaßt.« Er half Renie, ihre Taschen auszuladen, und drückte dann den Knopf. Die Tür ging zu, der Fahrstuhl brummte nach oben, und Renie warf ihren ersten Blick auf das Labor.
    »O mein Gott.« Saurer Magensaft stieg ihr in die Kehle, und sie schluckte schwer. Sie hatte nicht mit einer solchen Verwüstung gerechnet. Die Leute, die Susan so brutal zusammengeschlagen hatten, hatten sich auch ihren Arbeitsplatz mit bestialischer Gründlichkeit vorgenommen. »Sie müssen Vorschlaghämmer dabeigehabt haben.«
    Jeder einzelne der langen Tische war umgekippt und alles darin und darauf kurz und klein geschlagen worden. Zersplitterte Gehäuse und zertrümmerte Einzelteile bildeten fast auf dem ganzen Laborboden einen knöcheltiefen Teppich aus Plastikmulch, ein nie mehr zusammensetzbares Puzzle. Auch die Bildschirme an jeder Wand waren zerschmettert und ihr Inneres durch die schartigen Löcher herausgerissen worden, so daß die Kabel wie die Eingeweide eines mittelalterlichen Folteropfers heraushingen.
    !Xabbu war in die Hocke gegangen und ließ Schrotteilchen durch seine Finger gleiten. Er blickte auf. »Diese Männer waren ganz bestimmt nicht bloß Räuber. Räuber würden nicht so viel Zeit damit vertun, teure Geräte kaputt zu machen, selbst wenn sie nur hinter Geld her wären.«
    »Ich kann’s nicht glauben. Allmächtiger Gott, sieh dir das an.« Die Gründlichkeit der Zerstörung übte eine grauenerregende Faszination aus – eine Entropiedemonstration für Anfänger.
    Nehmt euch in acht, schienen die Trümmer zu verkünden. Es gibt Sachen, die sich nicht wieder rückgängig machen lassen, solange die Zeit nicht auf ihrer Bahn kehrtmacht und gegen den eigenen Strom schwimmt.
    Renie versuchte sich so etwas vorzustellen, etwas wie einen zurücklaufenden Videoclip, in dem jedes abgebrochene Stück wieder an seinen ursprünglichen Ort zurückflog, Geräte sich wieder zusammensetzten, Tische sich wieder hinstellten wie aus dem Schlaf gerissene Tiere. Und wenn sie alles zurückspulen könnte, dann würde auch Susan zurückkehren, der Lebensfunke würde in ihren kalten Körper zurückspringen, ihre Knochen würden sich wieder verbinden, die von den Trümmern verdeckten angetrockneten Blutspritzer würden sich verflüssigen und wie Quecksilber zusammenfließen und vom Boden zurück in Susans sich schließende Wunden schießen. Der Tod selbst würde Angst bekommen und fliehen.
    Es schauderte Renie. Sie fühlte sich auf einmal schwach und krank. Es war alles zu furchtbar, zu hoffnungslos.
    Sie betrachtete

Weitere Kostenlose Bücher