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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Unterkunft war lang und sie nicht in Tratschstimmung gewesen, so daß in den zwanzig Minuten Warten der Wunsch nach ein bißchen Alleinsein in ihr gewachsen war.
    Sie löste den Turban, den sie sich aus ihrem Handtuch gewickelt hatte, und hörte ihre Anrufe ab. Jemand aus der TH teilte ihr mit, daß sie am nächsten Tag ins Büro der Rektorin bestellt sei – das klang nach nichts Gutem. Sie setzte ihr Suchgear auf die beiden Namen von Susans Papierschnipsel an. Je mehr sie darüber nachdachte, um so mehr wunderte sie sich, daß Doktor Van Bleeck, die ihr Leben lang mit Informationsmaschinen gearbeitet hatte, eine handschriftliche Notiz gemacht hatte, statt einfach eine Mitteilung auf ihr Haussystem zu sprechen. Vielleicht war ja an !Xabbus Entdeckung mehr dran, als sie zuerst gedacht hatte.
    Das Gear ermittelte ziemlich rasch eine Verbindung zwischen Atasco und Das frühe M, einem zwanzig Jahre alten Buch in der dritten überarbeiteten Ausgabe mit dem Titel Das frühe Mesoamerika, geschrieben von einem Mann namens Bolívar Atasco. Die erste Suche in südafrikanischen Adreßverzeichnissen nach der mit Susan befreundeten Rechercheurin war weniger erfolgreich, deshalb gab Renie den Befehl, die Online-Verzeichnisse weltweit nach Netzadressen zu durchforsten, die auf den Namen Desroubins oder so ähnlich lauteten, und wandte sich dann wieder dem Buch von Atasco zu.
    Solange sie Geld ausgab, das sie eigentlich gar nicht hatte, beschloß sie, konnte sie sich auch das Buch herunterladen. Es war ein wenig teurer als normal, da es anscheinend reich illustriert war, aber falls Susan sie damit auf etwas hatte hinweisen wollen, dann würde sie es bei Gott finden.
    Bis sie ihre Haare getrocknet hatte, war das Buch auf ihrem System.
    Wenn Das frühe Mesoamerika eine Botschaft von Susan Van Bleeck enthielt, dann gab es jedenfalls das Geheimnis nicht gleich preis. Es schien nichts weiter zu sein als ein populäres ethnologisches Werk über die Frühgeschichte Mittelamerikas und Mexikos. Sie durchsuchte das Register nach Einträgen, die relevant klangen, aber entdeckte nichts Ungewöhnliches. Sie überflog den Text. Die Farbabbildungen von Ruinen und Artefakten der Azteken und Mayas waren bestechend – besonders beeindruckten sie ein Totenschädel ganz aus Jade und einige der kunstvolleren Steinskulpturen von Göttern mit Blumengesichtern und Vogelklauen –, aber nichts schien irgend etwas mit ihrem Problem zu tun zu haben.
    Ein blinkendes Licht lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf ihre andere Recherche. In keinem der gängigen internationalen Adreßverzeichnisse fand sich jemand mit dem Namen Martine Desroubins.
    Renie wählte die TH an und benutzte deren sehr viel umfassendere Suchmaschinen – wenn sie schon Schwierigkeiten bekam, sollte sie sich wenigstens nach Kräften alle Möglichkeiten zunutze machen, solange es noch ging –, dann durchkämmte sie wieder das Atascobuch nach irgend etwas, das den Text oder die Bilder mit der geheimnisvollen Stadt in Zusammenhang brachte. Sie hatte auch diesmal kein Glück und begann daran zu zweifeln, daß der zerknüllte Zettel etwas anderes gewesen war als eine alte Recherchenotiz von Susan. Sie ging zur Einleitung zurück und las gerade etwas über den Verfasser Bolívar Atasco, der anscheinend viele interessante Sachen an vielen interessanten Orten gemacht hatte, als ihr Vater vom Einkaufen zurückkam.
    »Warte, Papa, ich helf dir.« Sie stellte ihr Pad aufs Bett und ging ihm die Beutel abnehmen. »Hast du mir meine Schmerzmittel besorgt?«
    »Ja, ja.« Er sagte das, als wäre Einkaufen eine zeitlebens danklos verrichtete Dauerbeschäftigung von ihm und nicht etwas, was er soeben erst zum zweiten oder dritten Mal in seinem Erwachsenenleben getan hatte. »Hab die Schmerzmittel, hab die andern Sachen. Die Leute da im Laden, die sind ja verrückt. Wollen, daß man sich in ’ne Schlange stellt, selbst wenn man nur’n paar Kleinigkeiten hat.«
    Sie grinste. »Hast du was gegessen?«
    »Nein.« Er runzelte die Stirn. »Kochen hab ich vergessen.«
    »Ich mach dir was. Morgen mußt du dir dein Frühstück selber richten, weil ich früh zur Arbeit muß.«
    »Wieso?«
    »Es war die einzige Gelegenheit, eine längere durchgehende Zeit im Labor zu kriegen.«
    »Nie bist du zuhause, Mädel.« Mit mürrischer Miene plumpste er auf den Rand seines Bettes. »Läßt mich ständig alleine.«
    »Ich versuche, etwas wegen Stephen zu unternehmen, Papa. Das weißt du doch.« Sie unterdrückte ein

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