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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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!Xabbu , wie er nachdenklich die zerbrochenen Stücke von Susans Arbeit in die Hand nahm, seinen schlanken, kindlichen Rücken, und das Gewicht der Verantwortung legte sich wieder auf sie. In dem Moment war es kein unangenehmes Gefühl. Menschen brauchten sie. Susan war tot, und dieser fürchterliche Vorfall ließ sich nicht rückgängig machen – besser, man beschäftigte sich mit greifbaren Dingen, mit Problemen, die sich lösen ließen. Sie holte tief Luft, machte eine der Gerätetaschen auf, die sie sich in der TH ausgeliehen hatte, und holte einen kleinen Stationsknoten heraus. Ihre Hände zitterten. Sie räumte einen Platz am Boden neben dem Wandanschluß frei und steckte ihn ein. »Wir wollen hoffen, daß diese Station so stark ist, daß man das Haussystem drauf laufen lassen kann«, sagte sie und war froh, daß ihre Stimme einigermaßen fest klang. Krise überstanden. »Jeremiah meinte, er hätte die Lichter und alles andere manuell an- und ausschalten müssen, sie müssen es also irgendwie funktionsunfähig gemacht haben.«
    »Hätten gewöhnliche Verbrecher das tun können?«
    »Heutzutage ist ein Haufen von illegalem Sabotagegear zu haben, zum Teil sehr billig. Aber ich denke eigentlich nicht, daß Susan eine war, die ihr Haus leichtfertig einem solchen Anschlag ausgesetzt hätte, was bedeutet, daß sie ein ziemlich gutes Paket gehabt haben müssen. Ich kann dir mehr sagen, falls ich ins Haussystem reinkomme.«
    !Xabbu runzelte die Stirn. »Hat die Polizei das nicht untersucht?«
    »Doch, natürlich. Mord an einer reichen und bekannten Professorin? Jeremiah hat gesagt, sie wären drei Tage hier unten gewesen – auch die Leute von der privaten Wachgesellschaft. Und wir beide haben ja reichlich Fragen über unseren letzten Nachmittag hier beantworten dürfen. Aber selbst wenn sie etwas gefunden hätten, würden sie es uns Normalbürgern nicht mitteilen – ich hab’s probiert, Jeremiah hat’s probiert. Kann sein, daß wir in sechs Monaten oder so was Brauchbares aus ihnen rausholen würden. So lange können wir nicht warten.« Sie stellte den Stationsknoten an, der einmal blinkte und schon betriebsbereit war. Es war ein sehr gutes Stück asiatischer Hardware, das sie, wenn sie es irgendwo zwischen diesem Haus und dem TH-Labor verlor, ein halbes Jahresgehalt kosten würde. »Schauen wir mal, was noch übrig ist und was es uns sagen kann.«
     
    Renie ließ sich in den Sessel fallen. Dako goß ihr Tee ein.
    »Wird dein Freund welchen wollen?«
    »Ich denke schon.« Sie starrte auf die dampfende Tasse und war in dem Moment zu müde, sie auch nur hochzuheben.
    Dako zögerte, bevor er sich ihr gegenübersetzte. »Habt ihr etwas gefunden? Einen Hinweis auf diese … Mörder?« Er hielt seine Tasse mit zitternden Fingern. Renie fragte sich, wie es für ihn gewesen sein mochte, nach dem Tod der Professorin das erste Mal in dieses Haus zurückzukommen.
    »Nein. Sie haben eine Art Datenkiller in das Haussystem eingespeist – ich habe es mit jedem Wiedergewinnungsgear probiert, das ich kriegen konnte. Es ist ein Wunder, daß hier überhaupt noch was funktioniert.«
    »Die Frau Doktor hat darauf geachtet, daß alles in Parallelbetrieb lief. So nannte sie es. Falls das System mal zusammenbrechen sollte.« Stiller Stolz schwang in seiner Stimme.
    »Tja, diese Schweine haben ihre Arbeit auch im Parallelbetrieb gemacht. Sie haben nicht nur das System zerbombt, sie haben auch jedes Stück Hardware zertrümmert, das sie in die Hände bekommen konnten.«
    !Xabbu kam in die Küche. Er hatte etwas in der Hand. Renie blickte auf, und ihr Herz schlug schneller. »Was ist das?«
    »Das fand ich, als ich gerade gehen wollte. Es steckte zwischen einem Labortisch und der Wand. Seine Bedeutung ist mir nicht ersichtlich.«
    Renie langte nach dem Stück Papier und strich es glatt. Ihr Name, Irene, stand ganz oben. Darunter folgten in Susans unverwechselbarer krakeliger Handschrift die Worte Atasco und Das frühe M.
    »Sagt mir gar nichts«, meinte sie nach einer Weile. »Das kann schon seit Monaten hier liegen, denke ich mal, und möglicherweise ist eine ganz andere Irene gemeint. Aber wir prüfen es nach. Es ist immerhin etwas.«
    Jeremiah konnte sich auch keinen Reim darauf machen. Renies kurze Erregung ebbte ab.
    !Xabbu setzte sich mit ernstem Gesicht hin. »Im Vorbeigehen sah ich das Bild im Wohnzimmer wieder«, sagte er. »Die Felsmalerei.« Er blickte die vor ihm stehende Tasse an. Eine Weile schwiegen alle. Sie mußten

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