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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Beamten, der mehr damit beschäftigt war, einen rassigen Hund zu streicheln, die Dringlichkeit der Situation klarzumachen versuchte. Allein der Gedanke an den Traum machte sie wütend. »Ist das jetzt alles, was du mir zu sagen hast – daß es nicht viel gibt? Was ist mit den Leuten, denen dieser gräßliche Laden gehört? Es müssen doch Namen auf den Lizenzen stehen. Oder macht es auch zu viele Umstände, die rauszukriegen?«
    Einen Moment lang entglitt ihm seine professionelle Selbstbeherrschung. »Ich bin nicht verpflichtet, irgendwas für dich zu tun, klar?«
    »Nein.« Sie blickte auf den Bildschirm und fragte sich, was sie eigentlich früher so unwiderstehlich an ihm gefunden hatte. Er war nur ein nett aussehender Mann in einem Anzug. »Nein, bist du nicht.«
    »Tut mir leid. Ich wollte nicht … Ich will dir helfen, Renie. Es ist bloß …« Er zögerte. »Es ist im Moment alles ziemlich kompliziert für mich.«
    Sie fragte sich, ob diese Bemerkung seinem Privatleben oder einer gewöhnlichen Krise am Arbeitsplatz oder etwas Schlimmerem galt. »Was ich neulich sagte, war so gemeint. Sei vorsichtig. Und ich bin dir für deine Hilfe wirklich dankbar.«
    »Ich besorge dir alles, was ich kann. Es ist… ach, es ist einfach nicht so leicht, wie es sich anhört. Mach’s gut.«
    »Du auch. Vielen Dank.«
    Als er weg war, zündete sie sich eine Zigarette an; sie war zu aufgewühlt, um weiter an den Prüfungsthemen zu arbeiten. Es war schwer zu sagen, woher Del Rays offensichtlicher innerer Aufruhr kam – fühlte er sich schuldig wegen der Art, wie ihre Beziehung zu Ende gegangen war, oder unwohl, weil er in eine bizarre Verschwörungsgeschichte hineingezogen worden war, oder war es etwas völlig anderes? Wenn es das zweite war, konnte sie ihm im Grunde keinen Vorwurf machen.
    Wenn ihr jemand vor sechs Monaten dieselbe verrückte Geschichte vorgetragen hätte, wäre sie auch skeptisch gewesen. Selbst jetzt ließen sich noch viele Argumente dafür anführen, daß sie lediglich eine Pechsträhne hatte und krampfhaft versuchte, aus den vielen Einzelfällen ein sinnvolles Ganzes zu konstruieren. Hatte nicht jemand mal gesagt, daß Religionen – und paranoide Wahnvorstellungen – auf die Weise anfingen? Als Versuch, einen Sinn in ein Universum zu legen, das für den menschlichen Verstand zu groß und zu sehr vom Zufall bestimmt war?
    Was hatte sie denn schon vorzuweisen? Ihr Bruder war auf geheimnisvolle Weise erkrankt, aber merkwürdige, unerklärliche Krankheiten füllten die medizinischen Annalen seit unvordenklichen Zeiten, und das hatte sich bis heute keineswegs geändert. In den letzten fünfzig Jahren hatte es mehr plötzliche Ausbrüche bis dahin unbekannter Viruserkrankungen gegeben als in den fünfhundert Jahren davor.
    Sie und !Xabbu hatten anscheinend einen Zusammenhang zwischen Komafällen und Netzbenutzung entdeckt, aber dafür gab es Dutzende von anderen möglichen Erklärungen.
    Ihr Wohnblock hatte gebrannt, und obwohl keine amtliche Bestätigung vorlag, hatte es jedenfalls Gerüchte gegeben, es sei Brandstiftung gewesen. Aber auch das war bemerkenswert wenig bemerkenswert. Sie hatte keine Ahnung, wie die Statistik aussah, aber sie war sich ziemlich sicher, daß es in Durban jährlich Hunderte von vorsätzlich gelegten Bränden geben mußte, ganz zu schweigen von den Tausenden von zufälligen.
    Die einzigen Punkte, die halbwegs als Indizien gelten konnten, waren der Mordanschlag auf Susan, die wirklich seltsamen Vorfälle in Mister J’s und das Auftauchen dieser erstaunlichen goldenen Stadt. Doch auch diese Ereignisse konnten eigenartige, aber erklärliche Zufälle sein. Nur die starken Verbindungen zwischen diesen Zufällen sprachen dafür, daß ihre Gewißheit, einer Sache auf der Spur zu sein, nicht bloß ein krasser Fall von Verfolgungswahn war.
    Renie seufzte. Haben !Xabbu und ich nun recht mit unserm Verdacht? Oder sind wir dabei, uns in die Riege der Leute in den Sensationsnetzen einzureihen, die behaupten, Außerirdische würden ihnen Mitteilungen ins Gehirn beamen?
    Susan hatte das nicht geglaubt, oder zumindest hatte sie etwas entdeckt, das ihr bedeutsam erschienen war, auch wenn Renie in der Beziehung noch nicht weitergekommen war. Doktor Van Bleeck hatte sich nicht gerade durch Nachsicht und Milde ausgezeichnet, wenn sie etwas als ungerechtfertigte Dummheit erachtete – nicht einmal gegenüber ihren engsten Kollegen und schon gar nicht gegenüber einer früheren Studentin, die sie seit

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