Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
gut und verschwindest? Ich brauche das Labor, und es ist dringend.«
    »Aber …« Er grinste schief, als ob sie einen geschmacklosen Witz gemacht hätte. »Aber ich hab diese ganzen 3D-Designsachen zu machen …«
    Sie bezähmte den Drang zu schreien, aber nur knapp. »Hör zu, ich bin soeben suspendiert worden. Hiernach wirst du dich nicht mehr mit mir herumschlagen müssen. Also sei jetzt ganz lieb und verpiß dich, ja?«
    Yono kramte hastig seine Sachen zusammen. Die Tür ging gerade hinter ihm zu, als Martines Anruf kam.
     
    Der Zugangspfad, den Martine ihnen gab, führte in einen Bereich des Netzes, in dem Renie noch nie gewesen war, einen kleinen Geschäftsknoten, der sich von dem großen Kommerzspektakel der Lambda Mall so sehr unterschied wie ein Besenschrank von einem Vergnügungspark. Die Datenbank am Ende der Koordinaten der Französin war eines der Basismodelle, die an kleine Unternehmen vermietet wurden, das VR-Gegenstück zu den billigen zellenartigen Warenzentren in der wirklichen Welt von Durban Outskirt. Das visuelle Erscheinungsbild der Datenbank war so langweilig funktional wie die Einheit, die es darstellte – ein Würfel, dessen Halbtonwände mit Knöpfen und Fenstern bedeckt waren, welche die verschiedenen Dienste aktivierten und anzeigten.
    Renie und !Xabbu hingen mit ihren rudimentären Sims, die durch das Billigtarifrendering des Knotens noch hölzerner wirkten, in der Mitte des Würfels.
    »Sieht aus wie das VR-Pendant zu ’ner dunklen Gasse.« Renie war schlecht gelaunt. Der Tag war ohnehin schon entsetzlich lang gewesen, sie war vom Dienst suspendiert worden, und ihr Vater hatte gemault, als sie angerufen hatte, um ihm zu sagen, daß sie spät nach Hause kommen würde und er sich sein Abendessen selber machen müßte – das schien ihn mehr aufzuregen als die Neuigkeiten von Stephen und ihrer Stelle. »Ich hoffe, Martine weiß, was sie tut.«
    »Das hofft Martine auch.«
    »Aha. Du bist da.« Renie drehte sich um und schaute verwundert. »Martine?«
    Eine glänzende blaue Kugel hing neben ihnen. »Ich bin’s. Seid ihr so weit?«
    »Ja. Aber… aber wird es dir nicht schwerfallen, äh … das Interface zu bedienen?«
    Die blaue Kugel rührte sich nicht. »Um in TreeHouse hineinzukommen, ist es nicht nötig, das virtuelle Interface zu benutzen, vielleicht ist es sogar einfacher, wenn man darauf verzichtet, vor allem für jemanden wie mich, die andere Methoden der Datenbearbeitung vorzieht. Aber da ihr mit solchen Environments arbeitet, dachte ich, ihr fändet es angenehmer, auf diese Weise einzutreten. Dadurch wird es euch auf jeden Fall leichter fallen, die Erfahrung zu verkraften, wenn wir in TreeHouse drin sind, da das VR-Interface ein wenig langsamer läuft als andere Versionen. TreeHouse ist sehr schnell und verwirrend.«
    Was immer noch nicht erklärt, warum sie so einen abartigen Sim hat, dachte sich Renie. Aber wenn sie es mir nicht sagen will, ist es wohl ihre Sache.
    Mehrere der Knöpfe auf dem Datenbank-Interface leuchteten auf, als wären sie gedrückt worden, und in den Fenstern formierten sich Daten.
    Sie benutzt das VR-Interface nicht einmal, erkannte Renie. Dieses Billardkugeldings ist bloß ein Positionsanzeiger, damit wir wissen, daß sie bei uns ist. Sie muß das alles direkt an ihren Tasten machten, oder mit offline gesprochenen Anweisungen, oder sonstwie…
    »Wißt ihr, warum dieser Ort sich TreeHouse nennt?« fragte Martine.
    »Ich hab zu !Xabbu gesagt, wir sollten dich das fragen. Ich weiß es nicht – logische Bäume war meine Vermutung.«
    »So kompliziert ist es gar nicht.« Martines Lachen klang spöttisch. »Es ist ganz einfach – sie waren Jungen.«
    »Was? Wer?«
    »Die Leute, die TreeHouse erfanden. Natürlich waren nicht alle männlichen Geschlechts, aber die meisten, und sie wollten sich einen Ort schaffen, der ganz ihr eigener war. Wie kleine Jungen, die sich ein Baumhaus bauen und eine Bande gründen und niemand anders reinlassen. Wie in der alten Geschichte von Peter Pan. Und wißt ihr, wie man in TreeHouse reinkommt?«
    Renie schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht gefällt euch der Witz. Ihr müßt die Leiter finden.« Während sie noch sprach, dehnte sich plötzlich eines der Fenster aus, bis es eine ganze Wand des Würfels einnahm. »Die Leiter kann jederzeit heruntergelassen werden«, fuhr Martine fort, »aber die Stellen, wo sie erscheint, sind immer verschieden. Die Leute von TreeHouse wollen niemand dazu animieren, sich bei ihnen reinzuhäcken.

Weitere Kostenlose Bücher