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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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widerrufen werden. Gezeichnet: Das Ameisenfarmkollektiv.«
    »Wie kann es Privateigentum geben, wenn das hier alles Anarchie ist?« murrte Renie. »Schöne Anarchisten!«
    Martine lachte. »Du würdest hier gut herpassen, Renie. Hier sitzen Leute stundenlang herum und debattieren über solche Sachen.«
    Das Innere der Blume – oder die an die Simulation, die wie eine Blume aussah, angeschlossene Simulation, machte sich Renie abermals klar – war eine ungeheuer große Grotte, zergliedert von Gängen und kleinen offenen Bereichen. Das Ganze war vom Boden bis zur Decke mit samtigem Rot ausgekleidet, und das Licht hatte keine bestimmte Quelle; Renie fühlte sich wie in einen Darm versetzt. Konventionelle und weitaus weniger humanoide Sims saßen, standen oder schwebten herum und kümmerten sich dabei so wenig um Oben und Unten wie die vorher im öffentlichen Bereich, den Martine als »Park« bezeichnet hatte. Die Geräuschkulisse war hier um einiges leiser, aber es waren deutlich viele Gespräche im Gange.
    »Martine? Bist du’s? Ich hab mich so gefreut, von dir zu hören!«
    !Xabbu und Renie drehten sich bei diesem leicht akzentgefärbten Ausruf einer fremden Stimme um, die laut und deutlich auf dem Privatband ertönte. Der Buschmann brach in Gelächter aus, und Renie hatte alle Mühe, es ihm nicht gleichzutun. Der Neuankömmling war ein Frühstück – ein im Raum schwebender Teller mit Eiern und Bratwürstchen, satellitengleich umkreist von einem Besteck, einer Müslischüssel und einem Glas Orangensaft.
    »Lacht ihr über meinen neuen Sim?« Das Frühstück wiegte sich in gespielter Verzweiflung. »Ich bin erschüttert.«
    Martines körperlose Stimme war herzlich. »Ali. Schön, dich zu sehen. Das sind meine Gäste.« Sie nannte keine Namen, und obwohl Renie es nicht fertigbrachte, sich von einer fliegenden Mahlzeit bedroht zu fühlen, stellte sie sich nicht vor.
    Das Frühstück musterte sie ganz offensichtlich von Kopf bis Fuß und begutachtete ihre rudimentären Sims eine ganze Weile. Zum erstenmal überhaupt war Renie verunsichert, was ihr Aussehen in der VR betraf. »Daran, wie ihr rumlauft, müßte was getan werden«, lautete das abschließende Urteil.
    »Deshalb sind wir nicht hier, Ali, aber wenn meine Freunde einmal wiederkommen, werden sie sicher bei dir vorbeischauen. Prinz Ali van Strahlefix-Artefax war einer der ersten wahrhaft großen Designer simulierter Körper«, erklärte Martine.
    »War?« Sogar sein Entsetzen war eine Clownsnummer. »War? Lieber Himmel, bin ich so schnell in Vergessenheit geraten? Aber inzwischen nenne ich mich wieder nur noch Ali, Liebste. Kein Mensch hat zur Zeit noch diese langen Namen – meine Idee, versteht sich. Dennoch bin ich tief gerührt, daß du dich daran erinnerst.« Der Teller rotierte langsam, die Bratwürstchen glänzten. »Aber du hast dich gar nicht verändert, Martinechen. Wie es aussieht, hast du den todsicheren Weg gefunden, um die ganze Modefrage herumzukommen. Sehr minimal. Na, es hat was, wenn man sich treu bleibt.« Ali konnte seine Mißbilligung nicht ganz verbergen. »So, und was führt dich mal wieder hierher? Ist ja schon ewig her! Und was sollen wir unternehmen? Heute abend findet hier in der Ameisenfarm so eine gräßliche Ethikdiskussion statt, und offen gestanden ergebe ich mich lieber dem RL, als das über mich ergehen zu lassen. Aber Sinyi Transitore wird ein Wetterstück aus dem Konferenzzentrumsknoten machen. Seine Sachen sind immer wahnsinnig spannend. Möchten deine Gäste das sehen?«
    »Was ist ein Wetterstück?« fragte !Xabbu . Renie war erleichtert, daß er sich ganz ruhig anhörte. Sie hatte sich schon gefragt, wie es ihm bei diesen ganzen Merkwürdigkeiten erging.
    »Och, es ist… Wetter. Wie der Name schon sagt. Ihr müßt Afrikaner sein – so ausgeprägt, der Akzent. Kennt ihr die Brüder Bingaru? Diese cleveren Kerlchen, die das ganze Verteilernetz von Kampala zum Zusammenbruch gebracht haben? Sie behaupten natürlich, es sei ein Unfall gewesen, aber niemand glaubt ihnen. Ihr müßt sie kennen.«
    Renie und !Xabbu mußten zugeben, daß sie sie nicht kannten.
    »Das klingt ganz wunderbar, Ali«, schaltete sich Martine ein, »aber wir sind nicht zum Vergnügen hier. Wir müssen jemand finden, und ich habe dich angerufen, weil du jeden kennst.«
    Renie war froh, daß ihrem Sim nicht viel Mienenspiel anzusehen war, denn es war schwer, ernst zu bleiben. Sie hatte noch nie ein stolzgeschwelltes Frühstück gesehen.
    »Allerdings.

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