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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Kanals aus ausbreiteten und von einem weitverzweigten System kleinerer Wasserwege versorgt wurden. Mit seinen in der Mittsommersonne funkelnden silbernen und goldenen Türmen thronte Tuktubim über ihnen wie ein gekrönter Kaiser.
    »Aber wie sollen wir da in einem Boot raufkommen?« fragte Gally mit einem zweifelnden Blick auf den Kranz der Türme.
    »Das wirst du gleich sehen.« Kluru amüsierte sich. »Halt nur die Augen aufgerollt, kleine Sandkröte.«
    Das Geheimnis enthüllte sich, als sie die erste von vielen Schleusen erreichten, Dutzende, eine über der anderen gestaffelt und jede mit mächtigen Pumprädern ausgestattet. Vor Pauls Augen wurde gerade ein Schiff mit weißen Segeln zur höchsten Schleuse emporgehoben. Es sah wie ein Spielzeug aus, aber er wußte, daß es einer von den großen flachbödigen Kauffahrern sein mußte, deren Kielwasser ihren winzigen Nachen auf dem Großen Kanal tüchtig durchgeschaukelt hatte.
    Es dauerte den größeren Teil des Nachmittags, bis das Boot halb oben war. Nimboren durften ihre Boote nicht höher befördern, und deshalb ließen sie es in einem kleinen Hafen zurück, der paradoxerweise in die Flanke eines Hügels gebaut war. Kluru führte sie zum öffentlichen Pfad, und sie nahmen den restlichen Aufstieg in Angriff. Der Weg war lang, aber nicht beschwerlich: Die Fischhautsandalen, die Kluru ihnen besorgt hatte, erwiesen sich als überraschend bequem. Sie blieben ab und zu stehen, um aus den Steigrohren zu trinken, aus denen Wasser in Becken am Rande des Pfades rieselte, oder um sich im Schatten hoher Steine auszuruhen, großer roter Brocken, mit goldenen und schwarzen Streifen durchschossen.
    Soldaten standen an den mächtigen Stadttoren, aber sie schienen mehr Interesse daran zu haben, das bunte Treiben zu beobachten, als einem Nimbor und zwei Ausweltlern Fragen zu stellen. Es war ein Zug, der des Schauens wert war: Adelige ließen sich in geschlossenen goldenen Sänften von schwitzenden Nimboren tragen oder ritten auf Wesen, die halb Pferd, halb Reptil zu sein schienen und fast alle die gleiche jadegrüne Farbe hatten wie Kluru. Hier und da sah Paul in der drängelnden Menge kurz einmal blaues Fleisch aufscheinen oder helle Federn schimmern, und jedesmal hier er den Atem an, obwohl er wußte, daß die Hoffnung trog: Es bestand kaum Aussicht, daß die Frau, die er suchte, durch die nachmittäglichen Straßen von Tuktubim spazieren durfte. Sie mußte wohl unter strenger Bewachung irgendwo eingesperrt sein, vielleicht in dem Komplex von Türmen im Zentrum der Stadt.
    Kluru führte Paul und Gally zwischen den hohen Torsäulen aus Elfenbein und Gold hindurch auf eine Straße, die fast so breit zu sein schien wie der Große Kanal selbst. Auf beiden Seiten, durch große gestreifte Planen vor der brennenden Sonne geschützt, schien die gesamte Einwohnerschaft Tuktubims entweder mit Streiten oder mit Feilschen beschäftigt zu sein; die meisten Tätigkeiten bestanden offenbar aus einer Verbindung der beiden.
    »Ist das der ganze Markt?« fragte Paul, nachdem sie viele Minuten gegangen waren.
    Kluru schüttelte den Kopf. »Das? Nein, das sind bloß die Straßenhändler. Ich bringe euch zum Basar – dem größten Markt auf ganz Ullamar, jedenfalls habe ich mir das von Leuten sagen lassen, die weitgereister sind als ich.«
    Er wollte noch weiterreden, aber Paul wurde plötzlich von einer Stimme hinter ihnen abgelenkt, die etwas in seiner Muttersprache rief. Klurus Übersetzungshalsbänder bewirkten, daß der Nimbor und andere Ullamarier in seiner Sprache zu sprechen schienen, aber man hatte dabei das Gefühl, daß das Reden in der Originalsprache und die Übersetzung gleichzeitig erfolgten. Diese neue Stimme hingegen, die mit jeder Sekunde lauter wurde, konnte er eindeutig ohne jedes Halsband verstehen.
    »So hören Sie doch! Bleiben Sie doch mal stehen, Mensch!«
    Paul drehte sich um, ein erschrockener Gally desgleichen, schlagartig wild wie eine Straßenkatze, die kleinen Finger wie Krallen ausgestreckt. Ein Mann lief mit der leichten Geschmeidigkeit eines Sportlers auf sie zu. Er wirkte unzweifelhaft wie ein Mensch und ein Erdenbewohner.
    »Ah, vielen Dank«, sagte er, als er sie erreicht hatte. »Ich dachte schon, ich müßte bis zum Basar so hinter Ihnen herjagen. Kein großes Vergnügen in der Hitze, was?«
    Paul war ein wenig unschlüssig. Er hatte das instinktive Gefühl, daß er vor jedem Erkennen und jeder Verfolgung auf der Hut sein sollte, aber das Aussehen des

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