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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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bepflasterte Del Rays Gesicht mit seinen Werten. Eine Zeichengruppe leuchtete heller als die anderen und gab Signale wie eine Warnblinkanlage.
    »Du … du Schwein«, hauchte sie. »Du versuchst meinen Anruf zu orten!«
    »Was? Wovon redest du da?« Aber seine Miene verzerrte sich vor Scham. »Renie, du benimmst dich sehr merkwürdig. Warum willst du dir nicht von mir helfen lassen …?«
    Sie brach den Kontakt ab, und sein Gesicht verschwand augenblicklich. Renie drückte mit zitternden Fingern ihre Zigarette aus und stierte unglücklich auf das Kabel, das von ihrem Pad durchs Fenster in die Hausbuchse lief. Ihr Herz klopfte wie wild.
    Del Ray hat mich verraten. Der Gedanke war beinahe surreal. Daß irgendwer einen Ministerialbeamten unter Druck setzte, nur um ihren Aufenthaltsort zu erfahren, war bizarr genug, aber daß Del Ray Chiume ihr das antat, war unfaßbar. Ihre Trennung war schwierig gewesen, aber niemals von Rachegedanken getrübt. Was haben sie mit ihm gemacht? Ihn bedroht? Er hatte ängstlich gewirkt.
    Sie nahm ihr Glas Wein und leerte es. Wenn sie nicht völlig wahnsinnig geworden war, wenn das, was ihres Erachtens gerade passiert war, tatsächlich passiert war, dann waren sie selbst in Susans sicherheitsumzäunter, respektabler Vorstadtvilla nicht mehr sicher. Auch wenn Del Rays Aufspürversuch fehlgeschlagen war – wie lange würde es dauern, bis die Leute, die nach ihnen suchten, die kurze Liste von Renies Bekannten abgeklappert hatten und noch einmal hier vorbeischauten?
    Renie steckte ihr Pad aus. Dann griff sie hastig nach Aschenbecher und Weinglas, wie um ihre Spuren zu beseitigen, und eilte ins Haus. Ihr Nacken kribbelte, und ihr Herzschlag war nicht langsamer geworden, seit sie Del Ray aus der Leitung geworfen hatte.
    Es war, erkannte sie, die uralte Furcht eines gejagten Tieres.

Kapitel
Jäger und Gejagte
    NETFEED/MUSIK:
    Horrible Animals bringen den »classic« Sound zurück
    (Bild: Clip von »1Way4U2B«)
    Off-Stimme: Saskia und Martinus Benchlow, Gründungsmitglieder von My Family and Other Horrible Horrible Animals, erklären, sie wollten mit ihrer einst so erfolgreichen Flurryband (drei diamantene Discs) eine neue und »klassische« Richtung einschlagen.
    (Bild: Benchlows zuhause mit Gewehren und Pfauen)
    S. Benchlow: »Wir machen auf den classic Gitarrensound des zwanzigsten Jahrhunderts. Wenn Leute behaupten, das wär bloß ’ne Masche …«
    M. Benchlow: »Die kacken kraß ab.«
    S. Benchlow: »Kraß. Total tschi-sin sind die. Wir holen was wieder, getickt? Aber wir machen was Eigenes draus. Segovia, Hendrix, Roy Clark – diesen trans classic Sound.«
     
     
    > »Ich geh jetzt lieber«, sagte sie. Sie wollte ihn nicht anschauen, weil ihr das ein komisches Gefühl machte.
    »Aber du bist doch eben erst gekommen. Ach, natürlich, du hast noch Hausarrest, stimmt’s? Deshalb darf der Heimweg von der Schule nicht zu lange dauern.« Er runzelte ein wenig die Stirn. Er sah traurig aus. »Ist es auch deswegen, weil du Angst davor hast, daß ich dich bitten werde, etwas Schlimmes zu tun?«
    Christabel antwortete nicht, dann nickte sie mit dem Kopf. Herr Sellars lächelte, aber er sah immer noch traurig aus.
    »Du weißt doch, ich würde nie etwas zu deinem Schaden tun, kleine Christabel. Aber ich möchte dich bitten, daß du ein paar Sachen für mich tust, und ich möchte, daß das unter uns bleibt.« Er beugte sich vor, so daß sein komisches geschmolzenes Gesicht ganz dicht an ihrem war. »Hör zu. Mir läuft die Zeit weg, Christabel. Ich schäme mich, daß ich dich bitten muß, den Anweisungen deiner Eltern nicht zu gehorchen, aber ich bin in der Bredouille, wie man so sagt.«
    Sie wußte nicht so recht, was »Bredouille« bedeutete, irgendwie daß es einem nicht gut ging, dachte sie. Herr Sellars hatte ihr auf ihrem Tischbildschirm in der Schule eine heimliche Botschaft geschickt und sie gebeten, heute bei ihm vorbeizukommen. Christabel war so überrascht gewesen, als plötzlich anstelle der Subtraktionsaufgaben diese Bitte erschienen war, daß sie das Nahen ihrer Lehrerin beinahe nicht bemerkt hätte. Sie hatte gerade noch rechtzeitig ausschalten können, bevor Frau Karman bei ihr war, und hatte sich dann von der Lehrerin für ihre Faulheit schelten lassen müssen.
    »Wenn du sie nicht tun willst«, fuhr der alte Mann fort, »mußt du nicht. Ich werde trotzdem dein Freund sein, versprochen. Aber auch wenn du diese Sachen nicht für mich tun willst, sag bitte, bitte, niemand, daß ich

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