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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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so um mich kümmerst.«
    Der Kapitän kündigte die Landung an.
    »Das ist doch mein Job, nicht wahr?« Sie machte ein bewußt übertriebenes fröhliches Gesicht, und sie kicherten gemeinsam.
     
    Die Zollabfertigung ging wie immer glatt. Dread hütete sich davor, irgend etwas Ungewöhnliches mitzunehmen, und ließ sogar seine absolut legale Hardware zuhause – man wußte nie, ob man nicht an einen Grenzbeamten kam, der Hobbybastler war und einen richtigen Spitzenartikel im Gedächtnis behalten und eventuell wiedererkennen würde. Dafür waren sorgfältig gepflegte Kontakte vor Ort schließlich da – daß sie einem all das besorgten, was man nicht mitschleppen wollte. Wie üblich hatte Dread nichts Auffälligeres dabei als ein Krittapong-Pad der Mittelklasse und ein paar Anzüge in einem Insulex-Kleiderkoffer.
    Nach einer kurzen Taxifahrt nahm er die Hochbahn über die Landbrücke ins Altstadtviertel Getsemani, das über die Murallas hinweg, die Jahrhunderte alten Befestigungsmauern, die die Spanier zum Schutz ihrer Hafenstadt gebaut hatten, die Bucht überblickte. Er stieg im Hotel unter dem Namen »Deeds« ab, klappte seinen Kleiderkoffer auf und hängte ihn in den Schrank, stellte sein Pad auf den blank polierten Schreibtisch und ging dann nach unten, um ein paar Besorgungen zu machen. Nach weniger als einer Stunde war er wieder im Hotel, verstaute seine Einkäufe und ging abermals fort.
     
    Es war eine warme Nacht. Dread spazierte über das Kopfsteinpflaster, ohne bei Touristen oder Einheimischen Aufsehen zu erregen. Der Geruch der Karibik und die drückende Schwere der tropischen Luft waren nicht viel anders als zuhause, obwohl die Feuchtigkeit eher wie in Brisbane als wie in Sidney war. Trotzdem, dachte er, war es seltsam, so weit zu reisen und nur an den Nachwirkungen eines achtstündigen Fluges zu merken, daß man woanders war.
    Er nahm das erstbeste öffentliche Telefon und gab die Nummer ein, die er sich gemerkt hatte. Als jemand sich meldete – nur Stimme, kein Bild –, sagte er einfach eine weitere Nummer und bekam sofort eine Adresse genannt, womit das Gespräch beendet war.
    Das Hovercab setzte ihn vor dem Club ab und brummte über die Wellen davon, daß die Schürzen flatterten. Eine Schar junger Leute mit knallroten Stirnbändern im Stil von Mods und imitierten Körperpanzern, die kolumbianische Version von Goggleboys und Gogglegirls, stand davor und wartete darauf, eingelassen zu werden. Er hatte erst wenige Augenblicke in der Schlange gestanden, als ihn ein Straßenbengel am Ärmel zupfte. Die Haut des Jungen war an vielen sichtbaren Stellen durch Drogenpflaster aus der Mülltonne rot entzündet. Der Junge drehte sich um und ging mit einem leichten Hinken die Straße hinunter. Dread wartete kurz, bevor er ihm folgte.
    Im dunklen Treppenaufgang eines alten Gebäudes in der Nähe der Hafenfront schlüpfte der Kleine auf einmal so rasch und gekonnt durch einen unbemerkten Ausgang davon, daß der Mann, den er geführt hatte, sein Verschwinden im ersten Moment gar nicht mitbekam. Dread, der seit dem Betreten des Gebäudes auf der Hut vor einem Hinterhalt gewesen war, einer zwar geringen, aber nicht ganz auszuschließenden Möglichkeit, war von der Geschicktheit des Jungen beeindruckt: Die Schwestern wählten ihre Chargen sorgfältig aus, selbst auf der untersten Ebene.
    Am Ende der Treppe gingen sechs alte Holztüren von beiden Seiten des Flurs ab und schienen einen einsamen und ziemlich unglücklich aussehenden Gummibaum zu bewachen. Dread schritt lautlos den Flur entlang und musterte prüfend Tür für Tür, bis er die mit dem Handauflagefeld fand. Er berührte sie, und die Tür ging auf; sie war dicker, als man ihr von außen ansah, und hing an starken Angeln in einer Fibramiczarge.
    Das Zimmer ging über die Länge des ganzen Geschosses – die anderen Türen waren falsch, wenigstens auf dieser Seite des Ganges. Die Fenster nach draußen jedoch waren drinnen gelassen worden: Vom Eingang hatte Dread sechs verschiedene Aussichten auf den Hafen und die unruhige Karibik. Abgesehen von diesen an Monet erinnernden Ozeanpanoramen war das Zimmer mit seinen weißen Wänden, dem schwarzen Marmortisch und dem Yixing-Teeservice eine nahezu perfekte Kopie seines simulierten Büros. Dread mußte über den kleinen Scherz der Schwestern grinsen.
    Ein Licht blinkte auf dem einzigen modernen Möbelstück im Raum, einem riesigen eleganten Schreibtisch. Er setzte sich, hatte rasch hinter einer aufgleitenden

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