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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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abgelöst von einer vagen Schwerkraftwahrnehmung, obwohl das Gel auch wieder auf Schwerelosigkeit, oder was die Simulation sonst verlangte, umstellen konnte.
    Eine andere Figur erschien vor ihr. Es war ein Sim der kargsten Art, wenig mehr als ein internationales Symbol für Humanoide.
    » !Xabbu ? Wie fühlst du dich?«
    »Sehr merkwürdig. Es ist anders als im Gurtraum. Ich habe viel stärker das Gefühl… irgendwo drin zu sein.«
    »Ich weiß, was du meinst. Komm, wir probieren es aus.« Sie gab rasch ein paar Handbefehle und erzeugte unter ihnen eine dunklere graue Fläche, die sich bis zum vermeintlichen Horizont erstreckte und dem leeren Raum ein Oben und Unten verlieh. Sie stellten sich auf die Fläche und empfanden sie als eben und hart unter den Füßen.
    »Ist das der Boden des Tankes?« fragte !Xabbu .
    »Nein, es ist bloß das Gel, das dort hart wird, wo die Prozessoren es ihm sagen. Hier.« Sie rief einen Ball von der gleichen Farbe wie der Boden auf. Er fühlte sich an ihren Fingern ganz substantiell an. Sie veränderte die Konsistenz um ihn gummiweich werden zu lassen, und die Prozessoren gehorchten. »Fang!«
    !Xabbu hob die Hände hoch und holte den Ball aus der Luft. »Und das ist auch das Gel, das dort hart wird, wo wir einen Gegenstand fühlen sollen?«
    »Genau. Unter Umständen bildet es gar keinen ganzen Gegenstand, sondern verschafft uns einfach die entsprechenden taktilen Eindrücke an den Händen.«
    »Und wenn ich es werfe«, er lobbte den Ball von unten zu Renie zurück, »analysiert es den Bogen, den es beschreiben soll, und setzt den erst in meinem und dann in deinem Tank um?«
    »Richtig. Genau das gleiche, was wir auch im Unterricht gemacht haben, nur hier mit besseren Geräten. Dein Tank könnte auf der andern Seite der Erde sein, aber wenn ich dich hier sehen kann, wird die Substanz in diesen Tanks die Erfahrung koordinieren.«
    !Xabbu schüttelte anerkennend seinen rudimentären Kopf. »Ich habe es schon einmal gesagt, Renie, deine Wissenschaft kann wirklich wunderbare Dinge tun.«
    Sie schnaubte. »Es ist nicht meine Wissenschaft. Außerdem kann sie, wie wir schon gesehen haben, auch ziemlich gräßliche Dinge tun.«
    Sie erzeugten und bewegten noch ein paar Objekte, um die Kalibration des Taktorensystems und die verschiedenen Effekte – Temperatur, Schwerkraft – zu kontrollieren, die mit dem primitiveren Gurtsystem der TH nicht zu machen gewesen wären. In Renie regte sich der Wunsch, mit einer anspruchsvolleren Simulation arbeiten zu können, die ihr eine wirkliche Vorstellung von der Leistungsfähigkeit der Tanks geben würde. Trotzdem war es ein guter erster Versuch gewesen. »Ich denke, wir haben das Nötige getan«, sagte sie. »Möchtest du sonst noch was ausprobieren?«
    »Allerdings.« !Xabbu – sein gesichtsloser Sim – wandte sich ihr zu. »Erschrick bitte nicht. Ich möchte dich gern wohin mitnehmen.« Er gab mit den Händen mehrere Befehle. Das graue Universum verschwand, und Schwärze umgab sie.
    »Was machst du?« fragte sie beunruhigt.
    »Bitte. Ich werde es dir zeigen.«
    Renie hielt sich still, aber mußte sich sehr zusammennehmen, um nicht lautstark und energisch Antworten zu verlangen. Sie gab nur ungern das Heft aus der Hand.
    Als das Warten ihr eben zu viel werden wollte, begann sich ein Leuchten vor ihr auszubreiten. Es fing an als ein tiefes Rot und zersprengte dann in marmorierte Muster aus Weiß und Gold und Scharlachrot und einem dunklen samtigen Violett. Durchbrochen von dieser blendenden Helle nahm die Dunkelheit seltsame Formen an; Licht und Dunkel wirbelten durcheinander und vermischten sich. Das Licht wurde an einer Stelle immer heller und zog sich schließlich zu einer Scheibe zusammen, die so grell strahlte, daß Renie sie nicht direkt anschauen konnte. Die dunklen Bereiche gewannen Konturen und Tiefe und sanken dabei in ihrem Gesichtsfeld nach unten wie Sand, den man in ein Glas Wasser schüttet.
    Sie stand in einem hart gleißenden Licht inmitten einer ungeheuer weiten, flachen Landschaft, die nur von verkümmerten Bäumen und roten Felsbuckeln unterbrochen war. Über ihr brannte die Sonne wie weißglühendes Metall.
    »Es ist eine Wüste«, sagte sie. »Mein Gott, !Xabbu , wo kommt das her?«
    »Ich habe es gemacht.«
    Sie drehte sich um und erblickte die nächste Überraschung. !Xabbu stand neben ihr, deutlich erkennbar er selbst. Der unpersönliche Sim aus dem Betriebssystem des Militärlabors war verschwunden, und an seiner Stelle stand

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