Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
von Grashütten.
    »Es ist unnatürlich, so schnell voranzukommen, aber ich weiß, daß unsere Zeit knapp ist.« !Xabbu faßte sie am Handgelenk und zog sie auf eine leere sandige Fläche vor einer der Hütten. Dort war bereits ein Haufen kleiner Äste zurechtgelegt. »Ich muß noch etwas Unnatürliches tun.« Er machte eine Geste. Die Sonne zog so rasch weiter, daß sie nach kurzer Zeit völlig hinter den Bergen verschwunden und der Himmel dunkelviolett war. »Jetzt werde ich ein Feuer machen.«
    !Xabbu holte zwei Stöcke aus seinem Beutel. »Männlicher Stock, weiblicher Stock«, sagte er mit einem Lächeln. »So sagen wir dazu.« Er stellte den einen in eine Kerbe im anderen und hielt dann den zweiten mit den Füßen am Boden fest, während er den ersten flink zwischen den ausgestreckten Händen drehte. Ab und zu zupfte er dürres Gras aus seinem Beutel und schob es in die Kerbe. Bald schon rauchte das Gras.
    Die Sterne waren oben am Nachthimmel schlagartig sichtbar geworden, und die Temperatur fiel rasch. Renie zitterte. Sie hoffte, ihr Freund würde das Feuer bald zum Brennen bringen, auch wenn der Echtheit damit ein wenig Gewalt angetan wurde.
    Während !Xabbu das schwelende Gras an den Asthaufen legte, lehnte sie sich zurück und betrachtete den Himmel. Wie weit er war! Weiter und tiefer, als er je über Durban erschien. Und die Sterne kamen ihr so nahe vor, fast als könnte sie die Hand ausstrecken und sie berühren.
    Das Feuer war erstaunlich klein, aber sie konnte trotzdem die Wärme spüren. !Xabbu jedoch ließ ihr nicht viel Gelegenheit, es zu genießen. Er holte zwei Schnüre aus dem Beutel, an denen anscheinend getrocknete Insektenkokons hingen, und band sie sich um die Fußgelenke. Wenn er sie schüttelte, gaben sie ein leises surrendes Rasseln von sich.
    »Komm.« Er stand auf und winkte ihr. »Jetzt werden wir tanzen.«
    »Tanzen?«
    »Siehst du den Mond?« Er deutete darauf. Der Mond schwamm in der Finsternis wie eine Perle in einer Öllache. »Und den Ring darum? Das sind die Zeichen, die die Geister machen, wenn sie ihn umtanzen, denn für sie ist er ein Feuer, ein Feuer so wie dieses hier.« Er nahm sie bei der Hand. Obwohl ein Teil von ihr nicht vergessen konnte, daß sie meterweit voneinander entfernt in verschiedenen Tanks waren, empfand sie doch auch seine vertraute Gegenwart. Die Physik mochte sagen, was sie wollte, er hielt jetzt eindeutig ihre Hand und führte sie in einen seltsamen Hüpftanz.
    »Ich kenne mich nicht aus mit…«
    »Es ist ein Heiltanz. Es ist wichtig. Wir haben eine Reise vor uns, und wir haben bereits viel gelitten. Mach es einfach so wie ich.«
    Sie bemühte sich, es ihm nachzutun. Zuerst fand sie es schwierig, aber dann, als sie aufgehört hatte, darüber nachzudenken, begann sie den Rhythmus zu fühlen. Nach einer Weile fühlte sie nichts mehr als den Rhythmus – Schütteln, Schritt, Schütteln, Schütteln, Schritt, Kopf zurück, Arme hoch –, und immer war da das leise Flüstern von !Xabbus Rasseln und das sanfte Patschen ihrer beider Füße auf dem Sand.
    Sie tanzten unter dem beringten Mond, vor den Bergen, die schwarz und massig gegen die Sterne abstachen. Eine Zeitlang vergaß Renie alles andere.
     
     
    > Sie zog ihre Maske ab, noch bevor sie ganz aus dem Gel heraus war, und bekam einen Moment keine Luft. Ihr Vater faßte sie unter den Armen und wollte sie aus dem Tank ziehen.
    »Nein!« sagte sie nach Atem ringend. »Noch nicht.« Sie räusperte sich mehrmals. »Ich muß erst den Rest von diesem Zeug abkratzen und in den Tank zurücktun. Es ist schwer zu ersetzen und sollte deshalb lieber nicht über den ganzen Fußboden verteilt werden.«
    »Ihr wart lange drin«, sagte ihr Vater ärgerlich. »Wir dachten schon, ihr zwei wärt gehirntot oder so. Der da hat gemeint, wir sollten euch nich hochholen, dein Freund hätte gesagt, es wär okay.«
    »Tut mir leid, Papa.« Sie blickte zu !Xabbu hinüber, der auf dem Rand seines Tanks saß und sich seinerseits das Gel abkratzte. Renie lächelte ihm zu. »Es war toll. Du solltest mal sehen, was !Xabbu gemacht hat. Wie lange waren wir drin?«
    »Fast zwei Stunden«, antwortete Jeremiah mißbilligend.
    »Zwei Stunden! Mein Gott!« Renie war schockiert. Wir müssen mindestens eine Stunde lang getanzt haben. »Das tut mir sehr leid! Ihr müßt euch ja schreckliche Sorgen gemacht haben.«
    Jeremiah verzog das Gesicht. »Wir konnten sehen, daß Atmung und Herzschlag und so weiter alle normal waren. Aber wir haben deswegen

Weitere Kostenlose Bücher