Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
›Dschunbau‹ oder so ähnlich.«
Am Zelteingang raschelte es. Als Paul sich umdrehte, zog Gally gerade die Klappe beiseite. Das kratzende Kreischen war deutlich lauter geworden. »Paul, sieh dir das mal an! Sie sind fast da. Und es ist eine absolut phantastische Maschine!«
Paul ärgerte sich, aber er konnte den aufgeregten Jungen schlecht ignorieren. Als er sich wieder Vaala zuwandte, war diese an die Zeltwand zurückgewichen, die schwarzen Augen weit aufgerissen.
»Was ist los?«
»Dieser Name.« Sie hob ihre langfingerigen Hände hoch, wie um etwas abzuwehren. »Ich … ich mag ihn nicht.«
»Welcher Name?«
»Paul, komm doch!« Gally zerrte ihn am Arm. Das Schleifen war jetzt sehr laut, und darunter war noch ein tieferes Geräusch, das er förmlich durch den Sand unter dem Zeltboden spüren konnte. Er konnte nicht so tun, als wäre nichts.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte er zu Vaala und ließ sich dann von Gally zur Zelttür hinausziehen. Staunend blieb er stehen.
Was dort durch das Tal auf das Lager zugewatschelt kam, war die merkwürdigste Maschine, die er je gesehen hatte oder sich überhaupt vorstellen konnte, ein etwa dreißig Meter langes, gewaltiges vierbeiniges Monstrum, das am ehesten aussah wie ein mechanisches Krokodil aus Metallstangen und lackierten Holzplatten. Der Kopf war so schmal wie der Bug eines Schiffes, der Rücken war bis auf drei riesige, dampfspeiende Schornsteine mit gestreiften Zeltbahnen überdeckt. Schwungräder drehten sich, Kolben stampften auf und nieder, und Dampf pfiff aus den Ventilen, während das Ding sich langsam den Hang hinunterbewegte. Paul konnte undeutlich mehrere winzige Figuren erkennen, die in einer Aussparung oben auf dem Kopf standen.
»Ist es nicht großartig!« rief Gally über den Lärm hinweg.
Professor Bagwalter kam um die Ecke eines der Zelte und trat auf sie zu. »Tut mir furchtbar leid dieser ganze Radau!« brüllte er. »Sie haben sich gerade funktelefonisch angekündigt. Anscheinend sind sie von der tellarischen Botschaft. Sollen irgendeine Kontrolle an unseren Vorbereitungen durchführen, bevor wir ins hinterste Hinterland aufbrechen. Bestimmt eine kleine Gemeinheit, die sich die Mandarine des Sumbars ausgedacht haben. Unsere Botschaftswallahs sind stets bemüht, sich mit dem Sumbar gut zu stellen, was für uns übrige gewöhnlich nichts Gutes bedeutet.«
»Meinen Sie, es hat etwas damit zu tun, daß wir Vaala gerettet haben?« schrie Paul. Widerwillig fasziniert sah er zu, wie das ungeheuerliche Fahrzeug ein kleines Stück vor dem Lager zum Stillstand kam, wobei es wackelte und pfiff wie ein Teekessel, als ihm der Dampf abgelassen wurde. Auf der Seite war eine goldene Sonne umgeben von vier Ringen aufgemalt, die beiden inneren und der äußerste weiß, der dritte hellgrün.
»Oh, das glaube ich kaum, mein Bester. Sie haben ja gesehen, wie langsam das Ding ist. Sie müßten eigentlich schon vor ein paar Tagen aufgebrochen sein.«
Als der Lärm des Monstrums erstarb, hörte Paul Vaalas Flügel hinter sich rascheln. Er streckte blind eine Hand aus und spürte gleich darauf, wie sich ihre Finger um seine schlossen.
»Was ist das?«
»Jemand von der Botschaft. Aber es wäre vielleicht besser, wenn sie dich nicht sehen«, sagte er.
Der große mechanische Kopf hatte sich bis auf etwa anderthalb Meter Höhe gesenkt. Jetzt ging er an der Seite auf, und eine Falltreppe mit Scharnieren zwischen den einzelnen Stufen klappte heraus. Zwei Figuren traten aus dem Schatten des Sonnensegels auf die Stufen zu.
»Ich denke, ich sollte mich nützlich machen«, sagte Bagwalter und schritt auf die absonderliche Krokodilsmaschine zu.
Etwas an den die Treppe hinunterkommenden Männern versetzte Paul einen Schreck. Der erste war dünn und eckig, und nach einem Funkeln auf seinem Gesicht zu schließen, schien er eine Brille wie der Professor aufzuhaben. Der zweite, der soeben aus dem Schatten trat, war so grotesk dick, daß ihm das Hinuntersteigen schwerzufallen schien. Pauls Beklemmung wuchs. Die beiden hatten etwas Grausiges an sich, etwas, das ihn wie ein Eishauch durchwehte.
Vaala stöhnte an seinem Ohr. Als er sich zu ihr umdrehte, riß sie ihre Hand weg und tat einen stolpernden Schritt zurück. Ihre Augen war vor Entsetzen so weit, daß er rings um ihre dunklen Pupillen das Weiße sehen konnte.
»Nein!« Sie zitterte, als ob sie Fieber hätte. »Nein! Diese beiden sollen mich nicht noch einmal haben!«
Paul faßte nach ihr, aber sie war bereits
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