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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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je auf Vonar gewesen, meiner Heimat? Denn ich bin niemals woanders gewesen, bevor ich zur Gabe an den Sumbar erwählt wurde.«
    »Ich weiß es nicht. Verdammt nochmal, ich weiß überhaupt nichts!« Paul schlug sich erbittert aufs Knie. Der plötzliche Knall ließ Vaala zurückzucken, ihre Flügel spreizten sich und streiften raschelnd an die Zeltwände. »Alles, was ich weiß, ist mein Name, Paul Jonas. Ich weiß nicht, wo ich gewesen bin oder woher ich komme. Ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen.«
    Sie fixierte ihn mit ihren schwarzen Augen. »Poldschonas. Der Name klingt seltsam in meinen Ohren, aber ich fühle etwas, wenn ich ihn aus deinem Mund höre.« Sie legte ihre Flügel an und glitt wieder unter die Decke. »Aber das Denken tut meinem Kopf weh. Ich bin müde.«
    »Dann schlaf.« Er faßte nach ihrer kühlen Hand. Sie sträubte sich nicht. »Ich bleibe bei dir. Jedenfalls bist du jetzt sicher.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf wie ein übermüdetes Kind. »Nein, das bin ich nicht. Aber ich kann dir nicht sagen, warum das so ist.« Sie gähnte. »Wie voll von merkwürdigen Gedanken wir beide sind, Poldschonas.« Die dunklen Augen gingen zu. »Könnte es sein …«, sagte sie, und ihre Worte wurden schon undeutlich und holperig. »Ich denke, ich erinnere mich … an einen Ort mit vielen Blättern, mit Bäumen und Pflanzen. Aber es ist wie ein alter Traum.«
    Paul konnte den Ort auch sehen. Sein Puls beschleunigte sich. »Ja?«
    »Das ist alles. Ich weiß nicht, was es bedeutet. Vielleicht ist es ein Ort, den ich einmal als Kind gesehen habe. Vielleicht kannten wir uns, als wir Kinder waren …«
    Ihre Atemzüge wurden langsamer. Wenige Augenblicke später schlief sie wieder. Paul ließ ihre Hand nicht los, bis Joanna kam und ihn zum Frühstück abschleppte.
     
    Er wollte gerade zu Vaala zurückkehren, wacklig einen Becher Tee und einen Teller Plätzchen mit Butter balancierend, als er von Professor Bagwalter abgefangen wurde.
    »Ah, da sind Sie ja. Ich hatte gehofft, Sie allein zu erwischen – dachte mir, es ist vielleicht kein Thema für den Frühstückstisch, nicht wahr?«
    »Wie bitte?«
    Bagwalter setzte seine Brille ab und putzte sie nervös. »Ich wollte Ihnen einen Frage stellen. Sie ist… na ja, ich nehme an, sie könnte als ziemlich grob aufgefaßt werden.«
    Paul war sich der heißen Marssonne auf einmal sehr bewußt. Schweißtropfen liefen ihm den Nacken hinunter. »Bitte«, sagte er schließlich.
    »Ich habe mich gefragt…« Bagwalter fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner Haut. »Oh, hol’s der Teufel, es läßt sich einfach nicht höflich sagen. Bist du ein Bürger?«
    Paul war überrascht. Er wußte nicht, was er befürchtet hatte, aber das war es jedenfalls nicht. »Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen.«
    »Ein Bürger. Bist du ein Bürger oder ein Replikant?« Bagwalters Stimme war ein rauhes Flüstern, als ob er gezwungen würde, öffentlich eine Obszönität zu wiederholen.
    »Ich … ich weiß nicht, was ich bin. Ich weiß nicht, was diese Worte bedeuten. Bürger? Von was denn?«
    Der Professor blickte ihn durchdringend an, dann zog er sein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn. »Vielleicht muß man das hier nicht beantworten. Ich muß gestehen, daß ich das noch nie jemand gefragt habe. Oder vielleicht ist mein Englisch doch nicht so gut, wie ich dachte, und ich habe mich nicht verständlich gemacht.« Er schaute sich um. Der Taltor Xaaro kam auf sie zugeschritten, war aber noch weit entfernt. »Ich habe die Ehre, als Gast von Herrn Jiun Bhao hier zu sein. Er ist eine sehr wichtige Persönlichkeit, der mächtigste Mann im New China Enterprise. Vielleicht hast du – schon einmal von ihm gehört? Er ist ein guter Bekannter und Geschäftspartner von Herrn Jongleur, dessen Werk dies hier ist, und deswegen ist es mir gestattet, hierherzukommen.«
    Paul schüttelte den Kopf. Es war alles Kauderwelsch, oder fast alles: Bei dem letzten Namen klang leise etwas an, als wäre er ein rätselhaftes Wort aus einem Abzählvers, das man seit Kindertagen nicht mehr gehört hatte.
    Der Professor, der ihn genau beobachtet hatte, schnalzte traurig resigniert mit der Zunge. »Ich dachte … weil du hier nicht hinzupassen schienst… Ich wollte dich nicht verletzen, aber es gibt so wenig andere Bürger. Einen oder zwei habe ich im Ares Club kennengelernt, aber sie sind meistens unterwegs auf irgendwelchen Abenteuern. Außerdem hatte ich die Befürchtung, daß sie im

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