Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
bist.«
    »Alt? Was heißt das?«
    »Alles, was du dir vorstellen kannst. Die Haare fallen dir aus, die Muskeln verkümmern, du wirst runzlig und dürr, und dann stirbst du an einem Herzanfall oder an Lungenentzündung … oder woran alte Leute sonst sterben. Die meisten von uns werden keine achtzehn Jahre.« Er versuchte zu lachen. »Die meisten von uns – ha! Es gibt auf der ganzen Welt nur ungefähr zwei Dutzend Leute, die das haben. Vermutlich sollte ich stolz sein.«
    »Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Gibt es keine Medizin dagegen?«
    »Es gibt nicht viel, was du sagen kannst, Frederico. Medizin? Doch, doch, so wie’s Medizin gegens Altwerden gibt. Das heißt, es läßt sich ein bißchen verlangsamen, was übrigens der einzige Grund ist, weshalb ich noch lebe. Nur ganz wenige Progeriekranke wurden früher älter als zehn.« Orlando schluckte. Jetzt war es heraus. Zu spät, um es zurückzunehmen. »So, jetzt kennst du mein schmutziges kleines Geheimnis.«
    »Und äußerlich…?«
    »Seh ich genauso schlimm aus, wie du dir denken kannst. Reden wir nicht mehr darüber.« Der Kopf tat ihm mehr weh als vorher, fühlte sich an, als ob eine heiße Faust ihn zerquetschte. Er hätte am liebsten geweint, aber er ließ es nicht zu, obwohl der vermittelnde, normal aussehende, progeriefreie Sim es vor Fredericks verborgen hätte. »Wir … wir lassen das Thema einfach, okay?«
    »Orlando, es tut mir so leid.«
    »Tja, das Leben ist hart. Ich wäre gern ein normaler Junge – und du auch, wenigstens einer von der Online-Sorte. Ich hoffe, daß für wenigstens einen von uns ein magischer Weihnachtswunsch in Erfüllung geht, Pinocchio.«
    »Sag nicht solche Sachen, Orlando. Du klingst gar nicht nach dir selbst.«
    »Hör zu, ich bin müde, und mir geht’s nicht gut. Ich muß jetzt meine Medizin nehmen. Du weißt, wann diese kleinen Kinder mich treffen wollen. Wenn du da sein willst, sei da.« Er brach die Verbindung ab.
     
     
    > Christabel winkte. Der Lichtstrahl sprang aus Onkel Jingles Echter Dschungelhorden Leuchtuhr hervor und projizierte die Zahlen an die Decke. Christabel schwenkte ihre Hand hastig vor Onkel Jingles Augen, bevor seine automatische Stimme die Zeit ausrief. Im Moment wollte sie nur den stillen Teil der Uhr haben.
    00:13, zeigten die Zahlen an. Noch lange hin. Christabel seufzte. Es war wie das Warten auf den Weihnachtsmorgen, nur gruseliger. Sie führte ihre Hand durch den Strahl, und die Ziffern verschwanden. Ihr Schlafzimmer war wieder dunkel.
    Im Wohnzimmer hörte sie die Stimme ihrer Mutter, die etwas über das Auto sagte. Ihr Vater antwortete tief und knurrig, so daß sie nichts verstehen konnte. Christabel kuschelte sich in die Federn und zog sich die Decke bis ans Kinn. Wenn sie im Bett lag und ihre Eltern sich unterhalten hörte, fühlte sie sich normalerweise sicher und warm und geborgen, aber jetzt fühlte sie sich beklommen. Und wenn sie sich nun gar nicht schlafen legten, auch um 02:00 nicht? Was sollte sie dann machen?
    Ihr Vater sagte wieder etwas, das sie nicht verstand, und ihre Mutter antwortete. Christabel zog sich das Kissen über den Kopf und versuchte sich an den Text von Prinz Pikapiks Lied in der Otterstadt zu erinnern.
     
    Im ersten Augenblick wußte sie nicht, wo sie war. Sie hatte geträumt, daß Onkel Jingle Prinz Pikapik verfolgte, weil der Otterprinz in die Schule gehen sollte. Onkel Jingle hatte sein breites verrücktes Grinsen im Gesicht gehabt und war Pikapik immer näher gekommen, und Christabel war hinter ihm hergelaufen, um ihm zu sagen, daß Prinz Pikapik ein Tier war und deshalb gar nicht zur Schule mußte. Aber wie schnell sie auch gelaufen war, sie war ihm nicht näher gekommen, und Onkel Jingles Grinsen war so breit gewesen, und seine Zähne hatten so geblitzt…
    Es war ganz dunkel, dann wieder nicht. Ein Licht blinkte, an und aus. Christabel wälzte sich auf die Seite. Das Licht kam von ihrer Märchen-Brille, die neben ihrer Kommode auf dem Teppich lag. Sie sah die Gläser ein paarmal aufleuchten und dunkel werden, und da fiel es ihr wieder ein.
    Sie fuhr im Bett hoch, und ihr Herz pochte ganz schnell. Sie war eingeschlafen! Genau das, was sie nicht gewollt hatte, war passiert. Sie wischte mit der Hand über die Uhr, und die Zahlen sprangen an die Decke: 02:43. Zu spät! Christabel warf ihre Decken zurück und hüpfte aus dem Bett zur MärchenBrille.
    »Du willst also wissen, wie spät es ist?« rief Onkel Jingle. Die Decke, die zufällig über ihn

Weitere Kostenlose Bücher