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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Götter
    hat er zu Boden geschmettert!«
     
    Jesaja 21,9

Kapitel
Der Traum eines anderen
    NETFEED/SITCOM-LIVE:
    »Sprootie« muß her!
    (Bild: Wengweng Chos Eßzimmer)
    Cho: Was ist denn das? Ich dachte, jemand wäre Sprootie holen gegangen! Das ist ein sehr wichtiges Essen! Der Bezirksgouverneur kommt zu Besuch! Ihr habt mich alle verraten!
    (Bild: Cho ab. Tochter Zia schiebt Chen Shuo herein.)
    Zia: Mein Vater wird deinetwegen noch einen Herzanfall bekommen, Shuo!
    Shuo: Wie ich höre, ist Sprootie auch dafür ein gutes Mittel.
    (Off: Lachen)
    Zia: Er glaubt wirklich, daß es das Zeug gibt! Du bist ein sehr grausamer Mann!
    Shuo: Liebst du mich deswegen? Oder einfach weil ich so schön bin?
    (Off: Lachen und Applaus)
     
     
    > Lange Zeit lag sie auf dem Rücken und starrte nach oben auf das fiebrige Grün der Bäume und die ziellos flatternden bunten Flämmchen, in denen sie schließlich Schmetterlinge erkannte. Wo sie durch das Blättergewirr hindurchblicken konnte, war der Himmel feierlich tief und blau. Aber sie konnte sich nicht erinnern, wer sie war oder wo sie war oder warum sie hier völlig leer im Kopf auf dem Rücken lag.
    Irgendwann, als sie gerade traumverloren einem grünen Vogel zusah, der auf einem grünen Zweig über ihr dringende kleine Pfeiftöne von sich gab, wehte eine Erinnerung sie an. Ein Schatten hatte auf ihr gelegen, eine kalte Hand. Dunkelheit, schreckliche Dunkelheit. Trotz der feuchten Wärme der Luft und der Glut der Sonne hinter dem Filter der Blätter zitterte sie.
    Ich habe jemanden verloren, dachte sie plötzlich. Sie konnte die Lücke fühlen, wo dieser Mensch hätte sein sollen. Jemand, der mir lieb ist, ist fort. Ein unvollständiges Bild huschte ihr durch den Kopf, ein kleiner Körper, schlank, ein braunhäutiges Gesicht mit hellen Augen.
    Bruder? überlegte sie. Sohn? Freund oder Geliebter? Sie kannte die ganzen Worte, aber konnte bei keinem genau sagen, was es bedeutete.
    Sie setzte sich auf. Der Wind in den Bäumen ließ ein langgezogenes Seufzen hören, ein Ausatmen, das sie rings umgab, genau wie die Bäume. Was war das für ein Ort?
    Auf einmal fühlte sie in ihren Gedanken wie einen Hustreiz im Hals das Kitzeln eines Wortes. Zuerst war es nur ein Laut, aber innerlich hörte sie, wie eine Frauenstimme ihn sagte, einen scharfen Laut, einen Laut, der ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte: Irene! Irene!
    Irene. Es war die Stimme ihrer Mutter, die in ihrer Erinnerung ablief wie eine alte Aufnahme. Irene, leg das hin! Mädel, manchmal kann man mit dir die Geduld verlieren. Irene. Irene Sulaweyo. Ja, Renie, ich rede mit dir!
    Renie.
    Und mit ihrem Namen kam ihr auch alles andere wieder – der mürrische Flunsch ihres Vaters und das vom endlosen Schlafen erschlaffte liebe Gesicht Stephens, Pinetown, die Verwüstung von Doktor Van Bleecks Labor. Und dann das dunkle Ding, die furchtbare Schwärze und das lautlose Kreischen des alten Singh.
    !Xabbu .
    » !Xabbu ?« Keine Antwort als das Pfeifen des grünen Vogels. Sie erhob die Stimme und probierte es noch einmal, als ihr Martine einfiel und sie auch die rief.
    Aber das ist Blödsinn. Sie kann nicht hier bei mir sein – sie ist irgendwo in Frankreich. Und dies hier war eindeutig nicht Frankreich, und der Militärstützpunkt im Berg auch nicht. Dies war … irgendwo anders.
    Wo bin ich, um Gottes willen? » !Xabbu ? !Xabbu , kannst du mich hören?«
    Der brodelnde Urwald verschluckte ihre Stimme; sie verklang fast ohne ein Echo. Renie stellte sich auf wacklige Beine. Das Experiment war zweifellos auf schreckliche Weise fehlgeschlagen, aber wie hatte das hier dabei herauskommen können? Ihre Umgebung glich in nichts den kargen Drakensbergen – es sah aus wie irgendwo weiter im Norden, wie einer der Regenwälder in der Westafrikanischen Föderation.
    Ein Gedanke, ein unmöglicher Gedanke glomm in ihr auf.
    Das konnte nicht sein …
    Sie betastete ihr Gesicht. Da war etwas, etwas Unsichtbares, das dennoch unter ihren forschenden Fingern Form und Textur hatte – etwas, das sogar ihre Augen bedeckte, obwohl die grüne Welt vor ihr bewies, das nichts ihre Sicht behindern konnte …
    Es sei denn, daß nichts von alledem real war …
    Renie wurde schwindlig. Sie sank langsam auf die Knie, dann setzte sie sich hin. Unter ihr war dicke, weiche Erde, durchpulst von ihrem eigenen Lebenszyklus – sie konnte es fühlen! Sie spürte den gesägten Rand eines abgefallenen Blattes an der Handkante. Der Gedanke war unmöglich – aber

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