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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kleinen Mord? Wenn du ein Fußsoldat wärst oder ein Türsteher oder Hausmeister oder was weiß ich, dann hättest du vielleicht eine Ausrede, aber du bist – der Himmel steh uns bei! – der Gearspezialist! Wir werden das gesamte System mit allem, was daran hängt, einfrieren und strippen. Datenbombe! Und wenn das Ding darauf programmiert ist, daß es bei einem Anschlag alles hinschmeißt?«
    »Ich … aber bestimmt…« Der Schweiß auf der Stirn des Häckers war deutlich zu erkennen.
    »Hör mir gut zu. Wenn wir auch nur ein Partikel dieser Daten verlieren, das geringste Teilchen, werde ich dir höchstpersönlich das Herz aus dem Leib reißen und es dir unter die Nase halten. Hast du mich verstanden?«
    Celestino nickte und schluckte sichtlich. Dread brach die Verbindung ab und durchsuchte dann seine Dateien nach einer Musik, die seine gute Laune wiederherstellen konnte.
     
    »… Der Kerl hat einen Hirnriß, so breit wie der ganze Kopf.«
    Der formlose Sim, der die Beinha zur Linken darstellte, beugte sich leicht vor. »Er ist in seinem Job sehr fähig.«
    »Er ist ein nervöser Pinscher. Ich lasse jemand einfliegen, die ihm auf die Finger schauen soll. Keine Widerrede. Ich setze euch nur freundlicherweise davon in Kenntnis.«
    Ein langes Schweigen trat ein. »Es ist deine Entscheidung«, sagte eine der beiden schließlich.
    »Allerdings, verdammt nochmal.« Das rote Licht blinkte wieder, aber diesmal in einem erkennbaren Rhythmus. »Entschuldigt mich bitte. Ich muß einen Anruf entgegennehmen.«
    Die beiden Schwestern nickten und waren augenblicklich verschwunden. An ihrer Stelle erschien einer der Apparatschiks des Alten Mannes – ein Replikant, soweit Dread sehen konnte, im üblichen ägyptischen Karnevalskostüm.
    »Der Herr über Leben und Tod, der Höchstanbetungswürdige, der im Westen Gekrönte befiehlt dir, vor ihm zu erscheinen.«
    Dread unterdrückte ein Stöhnen. »Jetzt? Kann er nicht einfach so mit mir reden?«
    Der Bote zuckte nicht mit der Wimper. »Du bist nach Abydos bestellt«, sagte er und verschwand. Eine ganze Weile saß Dread einfach tief atmend da, dann stand er auf und streckte sich, um seine Anspannung loszuwerden – der Fehler, Frustration und Ärger am Alten Mann auslassen zu wollen, konnte schmerzhafte Konsequenzen haben –, und warf einen ziemlich bekümmerten Blick auf die Zigarre, jetzt größtenteils graue Asche auf dem Grund der Keramikschale, die er als Aschenbecher benutzt hatte. Er setzte sich wieder hin, nahm eine bequeme Position ein, da die Launen des Alten Mannes oft stundenlange Wartezeiten mit sich brachten, und schloß die Augen.
     
    Vor ihm erstreckte sich das mächtige Hypostylon von Abydos-Olim, dessen massige, turmhohe Säulen durch das Licht unzähliger flackernder Lampen noch dramatischer wirkten. Er sah, wie der Thron des Gottes auf dem Podest am anderen Ende der Halle über die gebeugten Rücken von tausend Priestern hinausragte wie eine vulkanische Insel aus dem Ozean. Dread knurrte verdrießlich und setzte sich in Bewegung.
    Obwohl er die Schakalsohren an seinem Kopf nicht wirklich fühlen und seine Hundeschnauze nicht wirklich sehen konnte, obwohl die Priester die Gesichter am Boden behielten, während sie ihm auswichen, und kein einziger ihm einen Blick zuwarf, nicht einmal verstohlen, fühlte er sich zornig und gedemütigt. Die Aktion sollte in einigen Stunden losgehen, aber verzichtete der Alte Mann deswegen vielleicht auf ein paar von seinen albernen Zeremonien und kürzte das Ganze ein bißchen ab? Natürlich nicht. Dread war sein Hund, der der Stimme seines Herrn zu folgen hatte, und mußte das immer wieder eingebleut bekommen.
    Als er die Halle ganz durchschritten hatte und sich vor dem Thron auf alle viere niederließ, ging ihm kurz, aber beglückend die Vorstellung durch den Kopf, ein Streichholz an die Mumienbinden des alten Dreckskerls zu halten.
    »Erhebe dich, mein Diener.«
    Dread stand auf. Selbst wenn er sich auf das Podest gestellt hätte, hätte er neben der Gestalt seines Arbeitgebers zwergenhaft gewirkt.
    Immer muß er mir klarmachen, wer oben ist.
    »Berichte mir vom Luftgottprojekt.«
    Dread bezähmte seine Wut, holte tief Luft und gab einen Bericht über den Stand der letzten Vorbereitungen. Osiris, der Herr über Leben und Tod, hörte dem Anschein nach mit Interesse zu, aber obwohl sein leichenartiges Gesicht regungslos wie immer war, machte der Alte Mann auf Dread einen irgendwie abgelenkten Eindruck: Seine bandagierten Finger

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