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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schwarzgekleideten Fremden, der sehr ostentativ niemand anders beachtete. War er jemand, der genauso herbestellt worden war wie sie? Warum? Zu welchem Zweck sollten Leute in dem virtuellen Reich dieses himmelschreiend monomanischen Atasco versammelt werden? Und wer in aller Welt war Sellars?
    Renies Grübeleien wurden unterbrochen, als die Türflügel abermals aufschlugen und noch ein paar Leute eingelassen wurden. Einer schien in Polizeigewahrsam zu sein, denn zwei Wächter im langen Umhang hatten ihn in die Mitte genommen, aber gleich darauf erkannte Renie, daß die beiden ihn beim Gehen stützten. Er wurde auf einen Stuhl befördert, wo er in sich zusammensackte wie ein krankes Kind, was merkwürdig war, weil er den unglaublich muskelbepackten Körper eines olympischen Turners hatte. Ein kleinerer Freund stand dicht an seiner Seite und schien ihm aufmunternde Worte zuzusprechen. Diese beiden und noch ein dritter mit einem glänzenden Roboterkörper blieben da, als die Wächter sich wieder verzogen. Bolívar Atasco trat auf sie zu, um auch diese Nachzügler zu begrüßen.
    Renie starrte die Neuen an. Irgendwie kam ihr der muskulöse, schwarzhaarige Sim bekannt vor. Sie wollte sich gerade umdrehen, um !Xabbu zu befragen, als sie eine leichte Berührung am Arm spürte. Eine Frau aus der vorigen Gästegruppe, eine kleine, runde Person in einem temilúnischen Sim, stand neben ihr.
    »Verzeih die Störung. Ich bin ganz durcheinander. Darf ich einen Moment mit dir reden?«
    Unwillkürlich faßte Renie die Fremde prüfend ins Auge, aber es war unmöglich, in der VR irgendwelche Rückschlüsse auf jemanden zu ziehen. »Selbstverständlich. Setz dich doch.« Sie führte die Frau zu dem Stuhl neben Martine.
    »Ich … ich verstehe nicht, wo ich bin. Der Mann da sagte, wir seien in seiner Simulation, aber so eine Simulation wie diese habe ich noch nie gesehen.«
    »Das hat keiner von uns«, versicherte Renie ihr. »Man lebt vermutlich in einem vollkommen andern Universum, wenn man derart steinreich ist.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Es ist alles so merkwürdig. Ich wollte Hilfe für meine arme Enkelin finden und dachte, ich hätte eine Informationsquelle entdeckt, die mir Aufschluß darüber geben könnte, was ihr zugestoßen ist. Ich habe mich so sehr bemüht, die Wahrheit in Erfahrung zu bringen. Aber statt Informationen zu bekommen, befinde ich mich auf einmal in … ich weiß nicht wo.«
    !Xabbu streckte neben ihr den Kopf hoch. »Ist deine Enkelin krank?« fragte er. »Schläft sie und läßt sich nicht wecken?«
    Die Frau wich zurück, aber Renie hatte den Eindruck, daß es mehr wegen der Abruptheit der Frage war als wegen !Xabbus Affengestalt. »Ja. Sie liegt seit vielen Monaten im Krankenhaus. Die besten Spezialisten in Hongkong wissen nicht, was ihr fehlt.«
    »Das ist die gleiche Situation wie bei meinem Bruder.« Renie schilderte, was Stephen widerfahren war und wie sie und ihre Freunde nach Temilún gelangt waren. Die Frau hörte gespannt zu, wobei sie ab und zu leise Töne des Erschreckens und der Betroffenheit von sich gab.
    »Ich hatte gedacht, ich wäre die einzige!« rief sie aus. »Als mein kleiner Liebling krank wurde, meine Blume, da hatte ich das sichere Gefühl, daß es irgendwie mit dem Netz zusammenhing. Aber meine Tochter und ihr Mann, ich vermute, sie glauben, daß ich den Verstand verloren habe, auch wenn sie zu gut sind, um es auszusprechen.« Ihre Schultern bebten. Renie begriff, daß sie weinte, obwohl ihr Sim keine Tränen zeigte. »Entschuldigt. Ich hatte Angst, ich könnte tatsächlich wahnsinnig werden.« Sie wischte sich die Augen. »Oh! Jetzt habe ich euch belästigt und euch nicht einmal meinen Namen genannt. Wie unhöflich von mir! Ich heiße Quan Li.«
    Renie stellte sich und ihre Freunde vor. »Wir sind von alledem genauso überrascht wie du. Wir dachten, wir brechen in das Privatgelände unserer Feinde ein. Vermutlich sind wir das auch irgendwie, aber dieser Atasco benimmt sich nicht sehr wie ein Feind.« Sie schaute zu ihrem Gastgeber hinüber, der sich mit dem schwarzgekleideten Fremden unterhielt. »Wer ist das da neben ihm – der mit dem Clownsgesicht? Ist er mit dir gekommen?«
    Quan Ei nickte. »Ich kenne ihn nicht – ich bin mir nicht einmal sicher, daß er ein Er ist.« Sie kicherte, dann legte sie sich die Hand auf den Mund, als wäre sie über sich selbst erschrocken. »Er wartete draußen, als die Wächter uns brachten, mich und die Frau dort drüben.« Sie deutete

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