Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
hab mich richtig dran gewöhnt, weißt du. Es gefällt mir irgendwie. Und es gibt… ein paar Sachen, die ich gern ausprobieren würde.«
Dulcy war erleichtert, aber sie hatte auch das Gefühl, daß sie nicht alles mitkriegte. »Dann wäre das soweit klar, ja? Alles geht mehr oder weniger weiter wie bisher. Ich mache meinen Job. Du … du zahlst mir weiter die dicken Kredite.« Sie wußte, daß ihr Lachen nicht besonders echt klang. »So etwa.«
»So etwa.« Er nickte, und sein Bild erlosch.
Dulcy blieben mehrere lange Sekunden Zeit, um zu spüren, wie sie sich langsam entspannte, da kam sein Gesicht ohne Vorwarnung wieder, so daß sie ein Quieken unterdrücken mußte. »Ach, und, Dulcy?«
»Ja?«
»Du wirst nicht aufhören. Ich dachte, das sollte ich vielleicht noch klarstellen. Ich werde dich gut behandeln, aber du wirst nichts tun, wenn ich es dir nicht sage. Wenn du nur daran denkst, dich dünnezumachen oder jemandem was zu erzählen oder mit dem Sim ohne meine Erlaubnis etwas Ungewöhnliches zu veranstalten, werde ich dich ermorden.«
Jetzt zeigte er die Zähne, und sie sprangen ihm förmlich aus dem dunklen Gesicht und füllten den Wandbildschirm wie eine Reihe Grabsteine. »Aber zuerst werden wir tanzen, Dulcy.« Er sprach mit der fürchterlichen Ruhe eines Verdammten, der sich über das Wetter in der Hölle unterhält. »Ja, wir werden tanzen. Auf meine Art.«
Noch lange, nachdem er aus der Leitung gegangen war, saß sie mit weit aufgerissenen Augen da und zitterte.
Kapitel
Eine verspätete Weinaxfreude
NETFEED/DOKU/SPIEL:
IEN, Hr. 18 (Eu, NAm) – »ABSCHUSS!«
(Bild: Raphael und Thelma Biaginni weinend vor ihrem brennenden Haus)
Off-Stimme: Das vielumstrittene Reality-Wettkampfspiel wird heute abend mit Teil fünf fortgesetzt. Kandidat Sammo Edders unternimmt nach seinem gelungenen Brandanschlag auf das Haus der Biaginnis (der fabelhafte Einschaltquoten erzielte) den Versuch, die drei Biaginni-Kinder zu kidnappen. Die Wetten stehen darauf, daß der rapide abbauende Raphael B. lange vor der zehnten und letzten Folge Selbstmord begehen wird …
> Renie starrte auf den hohlen Mann, auf seinen nickenden Strohkopf, und ihre Angst wurde von einer Woge der Empörung hinweggespült. »Was soll das heißen, uns hinrichten?« Sie riß sich von dem Klammergriff Emilys los. Die Vorstellung, daß dieses schlaff dahängende Ding, diese Witzfigur aus einem alten Kinderfilm, ihnen drohen sollte … »Du bist ja nicht mal real!«
Das eine bewegliche Auge der Vogelscheuche verengte sich spöttisch, und ein müdes Grinsen verzog ihren Stoffpuppenmund. »Ja ja, immer zu, trampel ruhig auf meinen Gefühlen rum.« Sie hob die Stimme. »Schleimi! Ich hab gesagt, du sollst die verdammten Filter austauschen!« Der ziemlich unangenehm aussehende kleine Affe kam mit zuckenden Flügeln angehoppelt und begann, an einer der am Thron angebrachten mechanischen Vorrichtungen zu ziehen. »Nein, ich hab’s mir anders überlegt«, sagte die Vogelscheuche. »Schaff mir erst die verdammten Tiktaks wieder her.«
!Xabbu stellte sich auf die Hinterbeine. »Wir werden gegen dich kämpfen. Wir haben nicht soviel durchgemacht, um uns einfach wie Staub wegkehren zu lassen.«
»O mein Gott, noch ein Affe.« Die Vogelscheuche sackte auf ihrem Thron nach hinten, daß das ganze Pumpen- und Schläuchegewirr rasselte. »Als ob Schleimi und seine kleinen Flugaffenspezis nicht schon genug wären. Ich hätte sie nie aus dem Wald retten sollen – von Dankbarkeit oder so kann bei denen keine Rede sein.«
Eine Tür öffnete sich mit einem Zischen, und ein halbes Dutzend Tiktaks traten aus der Dunkelheit ans Licht.
»Gut«, seufzte die Vogelscheuche. »Seid so gut und bringt diese Fremden weg. Steckt sie in eine der Arrestzellen, und achtet darauf, daß die Fenster auch für den Pavian zum Durchschlüpfen zu klein sind.«
Die Tiktaks rührten sich nicht.
»Na los, bewegt euch! Wo hängt’s denn?« Die Vogelscheuche beugte sich mühsam vor, daß ihr Sackkopf wackelte. »Öl schmutzig? Überdreht? Oder wie oder was?«
Es machte klick, dann tönte ein leises Surren durch den kleinen unterirdischen Raum. Ein neues Licht ging flackernd im Schatten an, ein schimmerndes Rechteck, das sich als ein Wandbildschirm in einem Rahmen aus blanken Röhren herausstellte, an dessen unterem Rand sich lauter Knöpfe und Anzeigen befanden. Ein paar Sekunden lang war nur ein Flimmern zu sehen, dann formierte sich in der Mitte des Bildschirms
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