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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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über die Köpfe hielten.
    »Wie geht’s ihm?« fragte Renie Fredericks. Der junge Mann in der leicht mittelalterlich wirkenden Tracht pflegte immer noch seinen kranken Freund Orlando. Selbst als schlaffes, schlafendes Bündel ließ Orlandos muskulöser Simkörper kaum etwas von dem gebrechlichen Kind ahnen, das darin steckte.
    »Sein Atem ist besser, glaube ich.« Fredericks sagte es mit solchem Nachdruck, daß Renie sofort Zweifel kamen. Sie blickte auf die eingerollte Gestalt und bückte sich dann, um ihm die Hand auf die Stirn zu legen. »Das bringt’s nicht so richtig«, fügte Fredericks beinahe entschuldigend hinzu. »Manche Sachen merkt man diesen Sims an, andere nicht. Die Körpertemperatur scheint sich nicht groß zu verändern.«
    »Ich weiß. Es ist bloß … ein Reflex, vermute ich.« Renie hockte sich auf die Fersen. »Tut mir leid, aber er sieht überhaupt nicht gut aus.« Sie hatte einfach nicht mehr den Nerv, falsche Hoffnungen zu ertragen, auch wenn das, was Fredericks ihr über den wirklichen Orlando Gardiner erzählt hatte, ihr das Herz schwer machte. Sie gab sich einen Ruck und wandte sich ab. »Und wie geht’s dir, Martine? Irgendeine Besserung?«
    Die französische Rechercheurin, die in dem dunkelhäutigen, dunkelhaarigen Sim einer temilünischen Bäuerin erschien, brachte ein ganz schwaches Lächeln zustande. »Es … das Denken geht vielleicht etwas besser. Ein bißchen. Die Schmerzen von den vielen neuen Inputmengen sind im Moment nicht ganz so schlimm. Aber …« Sie schüttelte den Kopf. »In der Welt bin ich schon lange blind, Renie. Aber ich bin es nicht gewöhnt, hier blind zu sein.«
    »Wieso ›hier‹, äi?« Der Kampfrobotersim gehörte einem Goggleboy, der sich »T4b« nannte. Renie vermutete, daß er jünger war, als er zugeben wollte, womöglich nicht älter als Orlando und Fredericks, und sein unwirscher Tonfall jetzt bestärkte sie nur in ihrem Verdacht. »Dachte, ’swär noch nie einer hier gewesen. Was war das fürn Fen da im vorigen Dings, wenn du schon mal hier warst?«
    »Ich glaube nicht, daß sie das gemeint hat…«, begann Quan Li.
    »Nein, hier war ich noch nie«, sagte Martine. »Aber online – eingeschaltet. Das war immer meine Welt. Aber das … das Rauschen, seit ich hier bin, die überwältigende Informationsflut … die macht es mir schwer, so zu hören und erst recht so zu denken, wie ich es gewöhnt bin.« Sie rieb sich mit langsamen, unbeholfenen Bewegungen die Schläfen. »Es ist wie Feuer in meinem Kopf. Wie Insekten.«
    »Insekten brauchen wir weiß Gott keine mehr.« Renie sah auf, als eine weit entfernte, aber dennoch unglaublich große Libelle mit der Lautstärke eines altertümlichen Propellerflugzeugs über das Ufer strich und auf den Fluß hinaus flog. »Gibt es irgendwas, das wir tun können, Martine?«
    »Nein. Vielleicht lerne ich ja… besser damit zurechtzukommen, wenn ein wenig Zeit vergangen ist.«
    »Also gut, was machen wir jetzt?« sagte Renie schließlich. »Wir können uns nicht einfach treiben lassen, ob im wörtlichen oder übertragenen Sinne. Wir haben keine Ahnung, wonach wir suchen, wohin wir unterwegs sind oder ob wir uns überhaupt in der richtigen Richtung bewegen. Hat jemand eine Idee?« Sie blickte kurz zu Florimel hinüber, die wie Martine und Quan Li einen temilünischen Sim hatte, und fragte sich, wann diese Frau wohl ihre Zugeknöpftheit aufgeben würde; aber Florimel schwieg weiter unbeirrt, wie sie es seit ihrer gemeinsamen Flucht die meiste Zeit über getan hatte. »Wenn wir einfach abwarten … Sellars wenigstens meinte, es würde sich jemand auf unsere Spur setzen.« Renie ließ ihren Blick über die bunte Mischung auffälliger Sims schweifen. »Und wir sind mit Sicherheit schwer zu verfehlen.«
    »Was schlägst du vor, Werteste?« Sweet William kam mit wippenden Federn über die unebene Blattoberfläche auf sie zugetänzelt. Renie fragte sich, ob ihm das ganze simulierte schwarze Leder in dieser tropischen Hitze nicht langsam ein bißchen lästig wurde. »Versteh mich nicht falsch, dieser ganze Pack-an ist außerordentlich inspirierend – du warst bestimmt mal ein fesches Pfadfindermädel. Sollen wir uns einen Außenbordmotor aus abgeschnittenen Fingernägeln bauen oder so?«
    Sie lächelte säuerlich. »Das wäre immer noch besser, als dahinzugondeln und drauf zu warten, daß jemand kommt und uns faßt. Aber eigentlich hatte ich die Hoffnung, daß irgendwer auf was Praktischeres kommen würde.«
    »Vermutlich

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