Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
Fluß, um zu baden. Adam und Eva ertranken – wer von den dreien konnte sich retten?«
»Sind wir bald da?«
»Komm schon, Stanley, wer?«
»Wer was?«
»Wer von den dreien konnte sich retten?«
»Wer steht nochmal zur Auswahl?«
»Du spielst bloß wieder das Arschloch, was? Adam und Eva und Zwickmich.«
»Ich würde vermuten … Adam.«
»Quatsch! Zwickmich! – Autsch! Herrgott, du bist ein Scheißkerl, Chan.«
»Du hast soeben die Ausfahrt Cootalee verpaßt.«
»Ich denke, ich sollte dir mitteilen«, sagte sie fünfzehn Sekunden später, während sie abermals über den Mittelstreifen kurvte, »daß ich unsere Verlobung hiermit als gelöst betrachte.«
»Sie ist weg?«
Die um die Tür des Trailers lugende Frau hatte den beleidigten Blick einer zu Unrecht Beschuldigten. »Wie oft soll ich das noch sagen? Sie ist vor einem Monat abgehauen.«
»Wohin?« Calliope blickte zu Stan Chan hinüber, der die unter den Trailer gestellten Klötze begutachtete, als wären sie eine bautechnische Leistung, die sich mit dem Pantheon messen könnte. Die Frau ihrerseits beobachtete Stan Chan mit großem Mißtrauen, als könnte er eben diese Klötze aus ölbeschmiertem Holz jeden Moment wegreißen und damit davonlaufen.
»Woher soll ich das wissen? Ich hab die Schlampe nicht gekannt, nur ihr verdammter Hund hat mich die ganze Nacht wachgehalten. Die soll bloß nicht wiederkommen.«
»Wie gesagt«, meinte Stan einige Minuten später, als sie langsam aus dem Trailerpark hinausrollten. »Crème de la crème.«
»Ich hoffe, ihr Arbeitgeber hat ’ne Idee«, sagte Calliope verdrossen. »Oder du wirst mit deinem Geunke über die Fahrt hierher leider allzu recht behalten. Einmal in deinem Leben.«
Die Adresse aus den Akten, verzeichnet als Arbeitsplatz von Polly Merapanuis Stiefmutter, stellte sich als ein bescheidenes Häuschen am anderen Ende von Cootalee heraus. Ein mächtiger Eukalyptusbaum breitete seine Äste über den größten Teil des Vorgartens aus. In seinem gesprenkelten Schatten bespritzten sich zwei dunkelhäutige Kinder kreischend mit einem Schlauch, und ein kleiner brauner Hund sprang begeistert um sie herum und bellte aufgeregt.
Die Tür wurde von einer Aboriginefrau geöffnet, die eine Brille trug und eine Schürze umgebunden hatte. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, während sie Calliopes Dienstausweis in Augenschein nahm, und sagte dann: »Kommt rein. Ich hole meinen Mann.«
Der Mann, der sich noch das Hemd zuknöpfte, als er aus dem Hinterzimmer erschien, trug seine schwarzen Kräuselhaare unpassend jugendlich hochfrisiert. Mit seinem langen, schmalen Bart sah er aus wie ein Porträt aus der flämischen Schule. »Guten Tag. Ich bin Pastor Dennis Bulurame. Was kann ich für euch tun?«
»Diese Adresse wird bei uns als Arbeitsplatz von Lily Ponegarra geführt, vormals Lily Merapanui. Wir wollten uns mit ihr unterhalten.«
»Ach so. Sie ist leider nicht mehr hier, aber sie hat in der Tat für mich gearbeitet. Na, eigentlich für die Kirche. Kommt mit in mein Arbeitszimmer. Vielleicht nehmt ihr euch den Stuhl da mit.«
Das Arbeitszimmer von Pastor Bulurame war ein ziemlich kleiner Raum, der wenig mehr enthielt als seinen Schreibtisch, einen billigen Wandbildschirm und eine Reihe von Plakaten, auf denen kirchliche Veranstaltungen – Basare, Konzerte, Feste – angekündigt wurden. »Lily hat für die Kirche geputzt und manchmal auch für uns.«
»Hat? Jetzt nicht mehr?« fragte Calliope.
»Na ja, sie ist fort. Weggezogen. Hat einen Mann kennengelernt und ist mit ihm auf und davon.« Er schüttelte den Kopf und setzte ein wehmütiges Lächeln auf. »Es gab hier sowieso nicht viel, was sie hielt. Reich geworden ist sie nicht mit dem, was sie bei der Kirche verdient hat.«
»Weißt du, wo sie hingezogen ist? Kennst du den Namen des Mannes?«
»Billy, Bobby, irgend so was. Das ist alles, was ich weiß – wahrscheinlich nicht sehr hilfreich, was? Und sie hat auch nicht gesagt, wo sie hinzieht, bloß daß sie beide weg wollten. Immerhin hat sie sich entschuldigt, daß sie die zwei Wochen Kündigungsfrist nicht eingehalten hat. Steckt sie in Schwierigkeiten?«
Stan Chan musterte die Plakate. Er mußte zur Seite treten, um die Frau des Pastors, die ein Tablett mit Limonade und drei Gläsern brachte, durch die Tür zu lassen. »Nein. Wir wollten ihr bloß ein paar Fragen wegen ihrer Tochter stellen.«
»Wegen ihrer …?« Es dauerte einen Moment. »Polly? Nach so langer Zeit?« Bulurame
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