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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Zeit…«
    »Was willst du?«
    Peng. Die Höflichkeitsfloskeln konnte er sich also sparen. Der Programmchef hatte schon zu verstehen gegeben, daß sie ein wenig wunderlich sei. »Ich bin Anwalt – ich hoffe, das wurde dir mitgeteilt. Ich möchte dir gern ein paar Fragen im Namen meiner Mandanten stellen.«
    »Was sind das für Mandanten?«
    »Ich bin leider nicht befugt, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt preiszugeben.«
    »Ich habe niemandem was getan.«
    »Das behauptet auch niemand, Frau Pirofsky.« Lieber Himmel, dachte er, diese Frau ist nicht bloß wunderlich – sie hört sich verängstigt an. »Bitte, hör dir einfach die Fragen an. Wenn du sie nicht beantworten willst, mußt du mir das bloß sagen. Versteh mich nicht falsch – du tätest meinen Mandanten einen Riesengefallen, wenn du ihnen helfen würdest. Sie stehen vor einem außerordentlich schwierigen Problem und sind völlig verzweifelt.«
    »Wie kann ich ihnen helfen? Ich weiß ja nicht mal, wer die Leute sind.«
    Er holte tief Luft und betete zum Gott der Zeugenvernehmung um Geduld. »Ich stelle dir einfach die erste Frage. Hast du schon einmal vom sogenannten Tandagoresyndrom gehört?«
    Ein langes Schweigen trat ein. »Weiter«, sagte sie schließlich.
    »Wie, weiter?«
    »Ich möchte alle deine Fragen hören, dann entscheide ich, ob ich darauf antworte.«
    Catur Ramsey war schon halb überzeugt, daß er an jemand mit einem leichten Dachschaden geraten war – eine von der Sorte, die glaubte, daß die Regierung irgendwo eine Horde grüner Männchen versteckt hielt oder daß die Geheimdienste ihr Sachen ins Gehirn beamten –, aber da der Fall seiner Mandanten selber eigenartig genug war, bestand zumindest eine hauchdünne Chance, daß er auf der richtigen Spur war.
    »Ich kann dir die übrigen Fragen im Grunde nicht stellen, solange ich nicht die Antwort auf die erste habe«, erläuterte er. »Sie wären wahrscheinlich ungefähr so: ›Kennst du jemanden, der es hat? Wenn nicht, warum interessierst du dich dann für diese und verwandte gesundheitliche Schädigungen?‹ Verstehst du, Frau Pirofsky? So ähnlich. Aber vorher muß ich die erste Antwort haben.«
    Diesmal dauerte das Schweigen noch länger. Er überlegte schon, ob sie vielleicht lautlos aus der Leitung gegangen war, als sie mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war, unvermittelt fragte: »Woher … woher weißt du, daß ich mich mal für die Tandagorekrankheit interessiert habe?«
    Mein Gott, dachte er. Ich habe diese arme Frau fast zu Tode erschreckt.
    »Die Sache ist kein Geheimnis, Frau Pirofsky. Nichts Zwielichtiges. Ich stelle für meine Mandanten Nachforschungen über dieses Syndrom an. Ich kontaktiere jede Menge Personen, die bei den Mednetzen um Informationen gebeten haben oder Artikel darüber geschrieben haben oder derzeit nicht diagnostizierte Krankheiten in der Familie haben, die dem Tandagoreprofil ähneln. Du bist beileibe nicht die einzige Person, mit der ich mich in Verbindung gesetzt habe.« Aber du bist gewiß eine der interessantesten, dachte er bei sich, da du im Netz und zudem direkt mit Kindern arbeitest. Außerdem bist du so aberwitzig schwer zu erreichen wie sonst kaum jemand.
    »Ich habe diese schrecklichen Kopfschmerzen«, sagte sie und fügte dann rasch hinzu: »O Gott, jetzt wirst du denken, ich bin eine Verrückte. Oder daß ich einen Gehirntumor oder so was habe. Aber das stimmt nicht. Die Ärzte sagen, daß sie nichts feststellen können.« Sie schwieg einen Moment. »Du wirst mich sogar für noch verrückter halten, aber ich kann nicht am Telefon mit dir darüber reden.« Sie lachte nervös. »Ist dir schon mal aufgefallen, daß kaum einer mehr ›Telefon‹ sagt? Wahrscheinlich bedeutet das, daß ich langsam wirklich alt werde.«
    Ramsey hatte Mühe, den sprunghaften Einfällen zu folgen. »Du willst nicht am … am Telefon reden. Ist das richtig?«
    »Vielleicht könntest du mich besuchen?«
    »Ich bin mir nicht sicher, Frau Pirofsky. Wo wohnst du? Irgendwo in der Nähe von Toronto, stimmt’s?« Er hatte eine fünf Jahre alte Netznotiz über sie gefunden, ein Kurzporträt aus einem kleinen Netzmagazin.
    »Ich wohne …« Sie stockte abermals, und mehrere Sekunden Schweigen folgten. »O nein. Wenn du entdeckt hast, daß ich nach dieser Tandagoresache geforscht habe, dann heißt das … dann heißt das, daß jeder das herausfinden kann.« Ihre Stimme am anderen Ende wurde leiser, als ob sie vom Mikro zurückgetreten oder in ein Loch gefallen

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