Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
wäre. »O Gott«, murmelte sie. »Ich muß aufhören. Ich kann nicht reden.«
»Frau Pirofsky, bitte …«, begann er, aber die Verbindung brach ab.
Er starrte eine Weile den dunklen Bildschirm an, bevor er sein Hintergrundbild wieder anstellte. Er fragte sich, was er drangeben konnte, um Zeit für einen Abstecher nach Kanada herauszuschinden, und wie ihm hinterher wohl zumute wäre, wenn die Frau sich als so labil herausstellte, wie sie klang.
Jaleel Fredericks war einer von den Menschen, die einem den Eindruck gaben, daß man sie gerade aus etwas wirklich Wichtigem herausgerissen habe – daß sie selbst auf die Mitteilung, ihr Haus sei am Abbrennen, ein wenig überrascht und unwillig reagieren würden, weil sie schließlich weiß Gott andere Sorgen hatten.
»Entschuldige, Ramsey, aber ich bin müde«, sagte er. »Unterm Strich heißt das, daß du noch nichts Greifbares hast. Habe ich recht?«
»Im Prinzip.« Es war taktisch unklug, Fredericks mit Ausflüchten zu kommen, aber man durfte sich auch nicht einfach von ihm plattwalzen lassen. Er war ein guter Kerl, hatte Catur Ramsey vor langem entschieden, doch er war es gewohnt, sich die Leute so hinzubiegen, wie sie ihm paßten. »Aber man muß das Dickicht roden, bevor man anfangen kann, das Blockhaus zu bauen.«
»Bestimmt.« Er runzelte die Stirn über eine eingestreute Bemerkung seiner Frau. »Aus dem Grund ruft er nicht an.« Fredericks wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Anwalt zu. »Sie sagt, sie versucht die Autorisierung für die Unterlagen zu kriegen, die du haben wolltest, aber es kann noch ein paar Tage dauern. Und ob du die Sachen von Sam bekommen hast, die sie dir geschickt hat.«
»Kein Problem. Und ja, ich hab die Dateien bekommen, aber ich hatte noch keine Gelegenheit, sie durchzuschauen. Ich melde mich Anfang der Woche wieder bei dir und sag Bescheid, was bei den ganzen Recherchen rausgekommen ist.«
Während er darauf wartete, daß sich bei den Gardiners jemand meldete, sah Ramsey zu, wie drei Stockwerke unter seinem Bürofenster der Fahrzeugstrom auf der Hochautobahn vorbeirauschte, wo sich die Scheinwerferlichter auf dem regennassen Asphalt spiegelten. Er wußte, er hätte die Fredericks’ bitten sollen, ihn zu einer Fahrt nach Toronto zu bevollmächtigen, aber die Vorstellung, Jaleel Fredericks diese Onkel-Jingle-Frau begreiflich zu machen, war alles andere als verlockend. Er war sich selbst nicht sicher, wie er auf die Idee kam, der Aufwand könnte sich lohnen.
Er mußte den Anruffilter nur halb durchleiden, ehe Conrad Gardiner abnahm. Er war in Ramseys Alter, vielleicht sogar ein bißchen jünger, aber er sah reif für die Pensionierung aus, so leblos wirkte sein Gesicht.
»Was können wir für dich tun, Herr Ramsey?«
»Ich wollte eigentlich nur eines wissen. Habt ihr noch das Problem mit dem Agenten eures Sohnes und den fehlenden Dateien?«
»Ja. Wir hatten zwei verschiedene Firmen da, die alles mögliche probiert haben, aber ohne Erfolg.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Verantwortlich dafür, daß diese ganzen Sachen aus unserm System rausgemailt wurden, ist… ein Programm. Ich faß es einfach nicht. Ein Gear, das selbständige Entscheidungen trifft.« Sein Lachen klang nicht fröhlich. »Hoch lebe das einundzwanzigste Jahrhundert, kann ich da nur sagen.«
»Wie war sein Name?«
»Du meinst, von Orlandos Agent? Ich weiß nicht. ›Dingsbums Dingsbums PsKI‹ – Pseudo-Künstliche-Intelligenz, nicht wahr? Alt, aber teuer, als wir ihn kauften. Wenn du willst, kann ich nachschauen.«
»Eigentlich interessierte mich, ob Orlando einen Namen für ihn hatte. Einen Spitznamen, weißt du. Viele Leute mögen so was, vor allem Kids.«
»Gott, du machst Witze.« Gardiner war konsterniert. »Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Vivien!«
Seine Frau kam ins Zimmer, auf Ramseys Bildschirm gerade eben noch zu sehen. Sie zog den Mantel aus; vermutlich war sie im Krankenhaus gewesen. Ihr Mann gab die Frage an sie weiter, und sie sagte etwas, das Ramsey nicht verstehen konnte.
»Beezle Bug«, berichtete Gardiner. »Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen. Orlando hat ihn bekommen, als er noch ein kleiner Junge war.« Sein Mund zuckte, und er wandte sich einen Moment ab. Als er sich wieder gefaßt hatte, fragte er: »Weshalb willst du das überhaupt wissen?«
»Mir geht nur was durch den Kopf«, antwortete Ramsey. »So eine Idee. Ich erzähle dir ein andermal davon.«
Er beendete das Gespräch, dann setzte er sich
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