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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Seite, und zum Vorschein kam ein strampelndes, schlotterndes Babystreichholz, eine Miniaturversion von Starke Marke und seiner Frau. Er hatte offensichtlich vor, den Schwefelkopf des Säuglings über das rauhe Deck zu streichen, doch bevor er diesen Vorsatz ausführen konnte, flitzte etwas an Orlandos Ohr vorbei und blieb zitternd im schwarzen Ärmel von Fledderjans Mantel stecken. Einen Moment lang war das gesamte Vordeck wie vom Donner gerührt. Der Seeräuberkapitän ließ das Baby nicht fallen, aber senkte es einen Moment ab, um den in seinen Arm eingedrungenen Pfeil zu inspizieren.
    »Ein geheimnisvoller Schütze scheint mich vom Achterdeck aus mit irgendwas zu spicken«, bemerkte er trocken. »Ihr Schmuddelburschen – ein paar von euch rauf da, und stecht den Kerl ab.« Während ein Dutzend unrasierter, narbengesichtiger Seeräuber die Treppe hinaufpolterten und Orlando und Fredericks sich mit einem flauen Gefühl im Magen aufrappelten, nahm Fledderjan das Kind und rieb es über den wuchtigen Kanonenlauf, so daß der kleine Kopf aufflammte und dann lichterloh brannte. Daraufhin hielt der Kapitän den schreienden Säugling an die große Lunte der Kanone und zündete sie an.
    Vor Wut und Qual aufstöhnend flankte Starke Marke vom Achterdeck. Er landete in einer Gruppe verdatterter Piraten, die er wie Kegel über den Haufen warf. Wie der Blitz war er bei dem Piratenkapitän und riß ihm das brennende Kind aus den Metallklauen. Er tunkte den Kopf des Babys in den Eimer, der sonst zum Kühlen des Kanonenrohres benutzt wurde, zog das weinende, prustende Kind wieder heraus und hielt es dicht an seine Brust.
    Orlando mußte sich notgedrungen von diesem Drama abwenden, als der erste der Piraten, blutrünstig sein Entermesser schwingend, auf dem Achterdeck auftauchte. In den nächsten fünf Sekunden passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
    Mit etwas verzögerten, aber nicht völlig verschwundenen Thargorreflexen wich Orlando einem Messerhieb aus, sprang zur Seite und zog sein Breitschwert in einem flachen Bogen so herum, daß der anstürmende Pirat es in den Rücken bekam und vom Deckaufbau segelte, während gleichzeitig der tätowierte Bukanier hinter ihm mit einem von Fredericks’ Pfeilen in der gestreiften Brust rückwärts die Stufen hinunterfiel.
    Häuptling Starke Marke nahm sein triefendes, heulendes Kind und sprang über die Reling ins Wasser. Fledderjan sah ihm mit finsterer Belustigung hinterher und zwirbelte dabei mit der Spitze seines Hakens ein Schnurrbartende.
    Die Lunte des Donnerers war abgebrannt und verschwand im Rohr, bevor sie einen Sekundenbruchteil später das Pulver mit einem Knall wie zum Auftakt des Jüngsten Gerichts entzündete. Die Kanone spuckte Feuer, und die Lafette fuhr zurück, daß die Halterungsketten nur so krachten. Das ganze Schiff ruckte, und Orlando, Fredericks und die angreifenden Piraten stürzten allesamt zu Boden.
    Die wuchtige Kanonenkugel zischte übers Wasser und rumste gegen den großen Griff des Eisschranks, so daß dieser abbrach und die Tür eine Delle bekam.
    Als das Echo der Detonation des Donnerers verhallte, war zunächst einmal alles still. Dann schwang die berghohe Tür des Eisschranks langsam auf.
     
    Sie waren in keiner besonders guten Position, erkannte Orlando. Obwohl wenigstens die Hälfte von Fledderjans Mannschaft mit der deutlichen Absicht, den offenstehenden Eisschrank zu attackieren, in die Boote stieg, gab sich die Mehrzahl der übrigen mit dem Vorhaben zufrieden, Orlando und Fredericks zu töten. Das erste halbe Dutzend war zwar besiegt, doch die nächsten zehn oder fünfzehn kamen bereits die Treppe hoch und schwangen dabei scharfe Gegenstände der verschiedensten Art.
    Häuptling Starke Marke war über Bord gesprungen: Er hatte sich seinen verwundeten Sohn zurückgeholt und war demzufolge, wie es aussah, nicht mehr an den Cartoonkorsaren oder sonst etwas interessiert. Das von der Landschildkröte bewachte Kanu lag außer Sichtweite unter der Reling der Schwarzen Terrine, und selbst wenn sie sich durch die Masse der häßlichen Bukaniere dorthin durchkämpfen konnten, war das Seeräuberschiff ein gutes Stück strandwärts getrieben, und es gab somit keine Garantie, daß das Kanu noch immer an der Seite des Schiffes lag.
    Wir brauchen einen neuen Plan, schoß es Orlando durch den Kopf. Besser gesagt, überhaupt einen Plan.
    Eines der letzten Landungsboote schaukelte an seinen Davits, während eine zähnefletschende, fluchende Meute von

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