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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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funktioniert.« Sie drehte sich zur Seite. »Azador!«
    Er sah auf, aber gab keine Antwort.
    »Na schön«, sagte sie und zog sich hoch. »Wie du willst.« Sie humpelte in den hinteren Teil des Schleppkahns, !Xabbu hinterdrein. »Ich finde, es ist ein guter Zeitpunkt, um zu reden«, erklärte sie dem Mann. »Was meinst du?«
    Azador zog ein letztes Mal und schnippte dann seine Zigarette über die Schulter. »Der Fluß wird kleiner. Schmaler, meine ich damit.«
    »Prima, aber über den dämlichen Fluß will ich nicht reden. Ich will über dich reden und darüber, was du weißt.«
    Er musterte sie kalt. Er hatte einen Schiffermantel gefunden, der die Löcher in seinem Overall und die durch die Löcher zu sehenden unschönen Blutergüsse verbarg. Blutflecken waren auf seinem Gesicht angetrocknet. Sie mußte daran denken, wie er sich in die Menge ihrer Feinde geworfen hatte. Er mochte ein unangenehmer Typ sein, aber er war kein Feigling. »Dann rede halt«, sagte er. »Ich werde nicht reden. Ich habe genug vom Reden.«
    »Genug vom Reden? Was soll das heißen? Was hast du uns denn schon über dich erzählt? Daß du Zigeuner bist? Willst du dafür einen Orden haben? Hilf uns, verdammt nochmal! Wir sitzen hier in der Tinte. Und du auch!«
    Er schlug den Kragen hoch, dann nahm er sich eine neue Zigarette und steckte sie sich unter seinem dunklen Schnurrbart in den Mundwinkel. Entnervt wurde Renie ihrem Vorsatz untreu und streckte die Hand aus. Azador feixte, aber gab ihr eine. Dann hatte er sogar eine ungewöhnliche Anwandlung von Höflichkeit und zündete sie ihr an.
    »Und?« probierte sie es noch einmal. Sie konnte sich selbst nicht ausstehen dafür, daß sie so leicht und so rasch vor ihrer Sucht kapitulierte. »Erzähl mir was – irgendwas! Wo hast du die Zigaretten her?«
    »Dinge, Gegenstände lassen sich nicht von einer Welt in eine andere überführen«, sagte er lakonisch. »Die hier habe ich auf irgendeinem Schreibtisch in der Neuen Smaragdstadt gefunden.« Er grinste. »Munchkinbesitz fällt nach dem Kriegsrecht dem Finder zu.«
    Renie ging nicht auf den Witz ein, falls es einer war. »Doch, Gegenstände sind überführbar, das hab ich selbst gesehen. Orlan… Ich wollte sagen, einer unserer Freunde hatte in der einen Simulation ein Schwert, und in der nächsten hatte er es wieder.«
    Azador winkte ab. »Das war persönliches Eigentum – wie Kleidungsstücke. Das geht überall mit, wo der Sim hingeht. Und einige der Dinge, die mitgehen«, er deutete auf das Deck, »wie zum Beispiel ein Boot, die tauchen in der nächsten Simulation wieder auf, aber in veränderter Form. Es gibt dann in der nächsten Welt ein Ding so wie sie, nur… nur anders.«
    »Eine Entsprechung«, sagte Renie. Wie das Schiff aus Temilún, das ein Blatt geworden war.
    »Ja, genau. Aber Zigaretten, andere kleine Sachen – Geld oder die Juwelen von jemand, die man gefunden hat –, die kann man nicht von einer Welt in die andere mitnehmen.«
    Sie hatte wenig Zweifel daran, was er mit »gefunden« meinte, aber war klug genug, es nicht auszusprechen; es war viel besser, ihn bei Laune und am Reden zu halten, solange er dazu aufgelegt war. »Woher weißt du soviel? Bist du schon lange in diesem Netzwerk?«
    »Oh, sehr lange«, erwiderte er in überlegenem Ton. »Ich komme viel rum. Und ich höre so mancherlei auf dem Markt.«
    Renie stutzte. »Was meinst du damit, auf dem Markt?«
    Zum erstenmal in dem Gespräch blickte Azador betreten drein, als ob er mehr gesagt hätte, als er eigentlich wollte. Aber andererseits war er nicht der Typ, der sich von Bedenken anfechten ließ. »Romamarkt«, sagte er in einem Ton, der zu verstehen gab, daß Renie sich schämen sollte, so etwas nicht zu wissen. Sie wartete auf nähere Erläuterungen, aber es kamen keine. Selbst in seiner momentanen auskunftsbereiten Stimmung konnte man den Mann nicht gerade als redselig bezeichnen.
    »Okay«, sagte sie schließlich. »Auf dem Romamarkt. Und das ist…?«
    »Das ist der Ort, an dem das fahrende Volk sich trifft, die Roma, was denn sonst?«
    »Was ist es, eine andere Simwelt?« Sie wandte sich !Xabbu zu, um zu sehen, ob er eher daraus schlau wurde als sie. Ihr Freund hockte auf dem Heckgeländer. Er schien nicht zuzuhören und blickte nur nach hinten auf die beiderseits vorbeigleitenden Baumreihen und das lange, silberige V des in der mondhellen Ferne entschwindenden Flusses.
    »Der Markt ist kein Ort, er ist… eine Zusammenkunft. Er verändert sich. Die Fahrenden

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