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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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worauf genau sie hinauswollte, aber er hatte langsam eine Ahnung. Während sie zögerte und ihre Gedanken zu ordnen versuchte, beugte Ramsey sich vor und machte dem Hund mit einem Fingerwackeln ein Friedensangebot. Mischa riß vor ungläubiger Wut die Augen auf, dann sprang er hinter den Fesseln seiner Herrin auf die Füße und bellte los, als ob er geschimpft worden wäre.
    »Oh, lieber Himmel, Mischa!« Sie zog hinter dem Sofakissen einen kleinen Stoffball hervor, schwenkte ihn vor der Nase des Hundes und warf ihn dann in die hinterste Ecke des Zimmers. Mischa sauste hinterher und trieb ihn in einen Winkel neben dem V-Stuhl. Dann grub er seine Zähne tief in den Ball und machte sich mit einem tiefen Grollen in seiner kleinen Kehle daran, ihn aufs gründlichste zu töten.
    »Das dürfte ihn eine Weile beschäftigen«, sagte sie liebevoll. »Meine Frage ist: Kann es Zufall sein? Daß die statistischen Daten von Onkel Jingles Dschungel derart von den Durchschnittswerten abweichen?«
    »Mit anderen Worten, du denkst, daß es deshalb nicht auftritt, dieses Tandagoresyndrom, weil das Unternehmen irgend etwas Besonderes tut? Aber das wäre doch eher gut, oder nicht?«
    »Nicht«, sagte sie langsam, »wenn das Unternehmen etwas zu verbergen hätte und deshalb darauf achtete, daß keinem Teilnehmer der Sendung etwas passiert.« Sie schien zu guter Letzt doch ihr Selbstvertrauen gefunden zu haben und fixierte ihn mit einer Miene, die beinahe herausfordernd zu nennen war.
    Ramsey war perplex. Wenn sie recht damit hatte, daß Onkel Jingle verschont geblieben war, dann war das zweifellos interessant, obwohl es sich höchstwahrscheinlich als Zufall der einen oder anderen Art herausstellen würde. Aber es war auch möglich und im Grunde viel wahrscheinlicher, daß sie schlicht und einfach die falschen Daten herausgezogen oder einige Zahlen falsch interpretiert hatte. Das war der große Nachteil des Netzes genauso wie sein großer Trumpf – alle konnten an alles herankommen und daraus machen, was sie wollten. Es war eine Fundgrube für Amateure, harmlose Spinner und echte Verrückte.
    Aber er mußte zugeben, daß die Frau, die ihm gegenüber saß, nicht den Eindruck einer Verrückten oder auch nur einer Spinnerin machte. Außerdem mochte er sie und stellte fest, daß er sie nicht verletzen wollte, auch wenn sich in ihm der Verdacht regte, daß die Fahrt womöglich für die Katz gewesen war.
    »Das ist eine sehr interessante Möglichkeit, Frau Pirofsky«, sagte er schließlich. »Ich werde sie selbstverständlich prüfen.«
    Der eifrige Blick in ihren Augen erlosch, verwandelte sich. »Du hältst mich für verrückt.«
    »Nein. Nein, das tue ich nicht. Aber meine Mandanten haben ein Kind, das anscheinend an Tandagore erkrankt ist, und sie brauchen Fakten und Zahlen, keine Theorien. Ich werde wirklich überprüfen, was du sagst.« Er stellte seine Teetasse auf den Boden. Es schien an der Zeit zu sein zu gehen. »Ich versichere dir, daß ich alles, was mit diesem Problem zusammenhängt, sehr ernst nehme.«
    »Dieses Kind – ist es ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Ich bin eigentlich nicht befugt, über meine Mandanten Auskunft zu geben.« Er hörte seinen steifen Ton und fand ihn selber unangenehm. »Es ist ein Mädchen. Sie liegt schon seit einigen Wochen im Koma. Deshalb stehen wir so unter Zeitdruck – in den wenigen Fällen von Tandagore, wo eine Genesung eintrat, war das immer im Frühstadium der Krankheit.«
    »Das arme Ding.« Aus ihrem Gesicht sprach ein tiefer Kummer, viel tiefer, als er ihn bei einer erwarten würde, die vom Leiden eines fremden Menschen erfährt. »Deshalb entsetzt mich diese Sache so«, murmelte sie. »Wegen der Kinder. Sie sind so hilflos …«
    »Du arbeitest schon ziemlich lange mit Kindern, nicht wahr?«
    »Fast mein ganzes Leben.« Sie rieb sich das Gesicht, wie um den Kummer wegzuwischen, aber es glückte nicht ganz: Ihre Augen waren schreckensweit, fast gehetzt. »Sie sind alles, woran mir was liegt. Und Mischa, nehme ich an.« Sie lächelte leise zu dem Hund hinüber, der seinen Sieg mit einem Nickerchen feierte, den Kopf auf den ermordeten Ball gelegt.
    »Hast du selbst Kinder?« Er hatte immer noch seine Aktentasche über den Knien liegen und wußte nicht recht, ob er sich allmählich zur Tür begeben sollte, doch als er die Frage stellte, veränderte sich ihre ganze Haltung: Sie sank sichtlich in sich zusammen. Die Wirkung war so drastisch, daß er sich sofort schämte, als ob er absichtlich

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