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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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darüberzufahren.«
    Renie untersuchte das Objekt in der professionellen Art, die sie gelernt hatte, um herauszufinden, wofür es eigentlich gedacht war, aber es war kein Gerät, das jemand anderem als seinem Benutzer ohne weiteres zugänglich war – die normalen Kriterien der Interfacegestaltung trafen nicht darauf zu. Es war der Schlüssel eines reichen Menschen, und die Geheimnisse, die es erschloß, waren nur für diesen Menschen bestimmt.
    Oder unter bestimmten Umständen, sinnierte sie mit grimmigem Humor, für eingeborene Trancetänzer und diebische Zigeuner.
    Einen ganz kurzen Augenblick dachte sie an Azador und verspürte sogar einen Hauch von Sympathie für den Mann, die allerdings nicht lange anhielt. Wenn er dieses stibitzte Objekt benutzt hatte, um sich hier frei zu bewegen, dann war er jetzt wieder ein Teil der grauen Masse.
    Um sich vorstellen zu können, wie !Xabbu das Ding in seinem Moment der Klarsicht gesehen hatte, spielte Renie weiter mit dem Feuerzeug herum, knetete es wie ein Stück Teig, drückte es, strich darüber, drehte es zwischen den Fingern. Einmal meinte sie fast, ein ganz leises Erschauern zu spüren, eine winzige Vibration wie das Schlagen eines Schmetterlingsflügels unter Samt, aber es hörte sofort wieder auf. Bei allem anderen, was sie tat, blieb es ein hartnäckig unmagischer Gegenstand. Sie gab es !Xabbu zurück, der es behutsam nahm, es beschnüffelte und in der Hand wog.
    »Was meinst du eigentlich, wo wir sind?« fragte sie. »Und wer oder was zum Teufel ist Emily, wenn sie kein Teil dieser andern Simulation ist?« Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Azador muß es gewußt haben, dieses Vergewaltigerschwein! Aber er hat weiter so getan, als wäre sie ein Rep.«
    »Vielleicht«, sagte !Xabbu . »Aber denk daran, ich wußte nur deswegen Bescheid, weil mir ein Augenblick der Einsicht gewährt wurde. Vielleicht kann einem dieser Gegenstand solche Sachen sagen, und dann wußte er es … aber vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall wird Azador, wenn er das Feuerzeug gestohlen hat, wohl kaum seine sämtlichen Anwendungsarten durchschaut haben.« Er betrachtete das schwere, glänzende Ding. »Was Emily ist, kann ich nicht sagen. Sie ist ein Mensch und muß als solcher behandelt werden. Vielleicht ist sie ein Geist – du sagtest einmal, es gebe Geister im Netz.«
    Renie zitterte trotz der Wetterlosigkeit. »Hab ich nicht. Ich sagte, daß manche Leute glauben, es gebe Geister im Netz, wahrscheinlich die gleichen Leute, die früher an Geister anderer Art glaubten oder daran, daß schwarze Katze von links Unglück bringt, und ähnlichen Blödsinn.«
    !Xabbu legte den Kopf leicht schief, was oft bedeutete, daß er über eine höfliche Art nachdachte, einen Einwand zu formulieren, aber falls er vorgehabt hatte, ihr zu widersprechen, änderte er seine Meinung. »Ich weiß jedenfalls nicht, was sie ist. Was diesen Ort hier betrifft, vermute ich, daß er etwas noch Unfertiges darstellt, meinst du nicht?«
    »Kann sein.« Sie blickte sich stirnrunzelnd um. »Aber es kommt mir merkwürdig vor, daß sie ihn nicht erst fertigstellen, bevor sie ihn anschalten, verstehst du? Dann könnte es zwar noch Fehler im Gear geben, aber im wesentlichen würde es funktionieren, und falls es noch irgendwo hängen würde, könnten die Ingenieure das reparieren. Aber wart mal, hat Atasco nicht gesagt, sie würden diese Orte wachsen lassen …?« Sie zuckte mit den Achseln. »Egal, es spielt keine Rolle. Aber mir gefällt’s hier nicht. Von den vielen komischen Spiegelungen und Farben wird mir ganz flau im Magen. Meinen Augen tut’s auch nicht gut. Können wir nicht irgendwo anders hin?«
    »Du meinst, ein anderes Gateway finden?« !Xabbu beschnupperte das Feuerzeug abermals. »Ich weiß nicht, Renie. Ich bin wirklich müde, und ich habe nicht das Gefühl, das ich vorher hatte – die Wahrsicht.«
    »Aber du hast selbst gesagt, daß es bloß ein Apparat ist. Ich will nicht, daß du dich überanstrengst, !Xabbu , aber probier’s doch wenigstens mal. Guck, ob du dich erinnern kannst, was du gemacht hast.«
    »Was ist, wenn wir einen Durchgang irgendwohin öffnen, wo es noch viel unangenehmer ist als hier?«
    »Dann drehen wir einfach um und kehren hier ins Flickenland zurück. Durch diese Tore muß man doch in beide Richtungen gehen können, oder?«
    »Da bin ich nicht sicher.« Dennoch befingerte er das Feuerzeug jetzt ein bißchen konzentrierter und schob es zwischen den Handflächen hin und her wie ein nasses

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