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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mußte Orlando zugeben –, daß selbst ein großes Floß für eine sichere Fahrt auf dem Fluß weder genug Gewicht noch genug Tiefgang habe. Bei ihrer Größe sei schon eine kleinere Kabbelung wie ein furchtbarer Sturm auf dem Meer. Aber Fredericks blieb stur, wie so oft. Seiner Meinung nach war das Floßexperiment beim erstenmal gut gelaufen – obwohl auch diese Einschätzung, wie Orlando schon bemerkt hatte, davon abhing, wie man die Daten interpretierte – und hatten sie weder das Werkzeug noch das Material, um etwas Komplizierteres zu bauen. In diesem letzten Punkt mußte Orlando ihm zustimmen.
    Die Meinungsverschiedenheit artete rasch zu einer Orgie gegenseitiger Beschuldigungen aus, bis T4b zufällig den besten Vorschlag des Tages machte und ein Plan Gestalt anzunehmen begann. Während eines der kurzen Momente sachlicher Auseinandersetzung bemerkte der verroboterte Goggleboy, am besten wäre es, wenn sie ihr altes Blatt wiederhätten. Ein paar Minuten später, als Orlando es kurzzeitig aufgegeben hatte, zwischen Fredericks und Sweet William zu vermitteln, und den mächtigen Stamm eines Baumes hinaufstarrte, der über dem Flußufer aufragte wie eine zylindrische Felswand, gingen ihm T4bs Worte noch einmal durch den Kopf.
    »Wartet mal«, sagte er. »Vielleicht wäre unser Blatt tatsächlich das Beste. Oder ein anderes Blatt.«
    »Aber klar doch«, sagte William augenrollend. »Und beim ersten Bums kippt es um genau wie das letzte, und wir schwimmen alle den restlichen Weg zurück in die wirkliche Welt. Wär das nicht lustig?«
    »Hör doch mal zu. Wir könnten ein Floß bauen, wie Fredericks sagte, aber es in ein Blatt reinlegen – wie ein Deck. Damit hätte es mehr… wie sagt man dazu?«
    »Kitschwert?« schlug William vor.
    »Schwimmstabilität. Es würde das Blatt versteifen, versteht ihr? Und dann könnten wir Ausleger bauen, wie an so hawaiischen Kanus dran sind. Schwimmkörper, sagt man so? Damit es nicht kentert.«
    »Hawaiische Kanus?« Williams Pierrotlippen verzogen sich gegen seinen Willen zu einem Schmunzeln. »Du bist echt eine Knalltüte, was? Machst du eigentlich noch was anderes als in Fantasywelten leben?«
    »Find ich gut, äi«, sagte T4b plötzlich. »Gibt’n Sauboot, ungeduppt.«
    »Na ja, kann sein.« William zog eine Braue hoch. »Schwimmkörper, was? Schadet wahrscheinlich nicht, es auszuprobieren. Schadet erst, wenn wir ersaufen, heißt das.«
     
    Die Sonne war schon weit über dem Zenit und strebte ihrem Untergang irgendwo auf der anderen Seite des Flusses entgegen. Orlando mußte feststellen, daß er selbst von seiner normalen Belastbarkeit noch weit entfernt war. Die Taktoreneinstellungen waren hier entweder schlicht niedriger, oder einige von Thargors tendenziell übermenschlichen Eigenschaften übersetzten sich nicht ins Otherlandnetzwerk. Von der berühmten Unermüdlichkeit des Barbaren war jedenfalls nichts zu merken: Orlando triefte von virtuellem Schweiß und war von sehr realen Schmerzen in sämtlichen Gelenken und Muskeln zermürbt.
    Fredericks war auch nicht fröhlicher als er, jedenfalls sah sein Simgesicht rot und angestrengt aus. Er erhob sich, nachdem er mit einem Sandkorn, das so groß war wie seine beiden Fäuste und das er als Hammerstein benutzte, den letzten Querbalken in das Blatt gekeilt hatte. »Wir sind jetzt bereit für die Matte.«
    Orlando gab T4b ein Zeichen und kletterte dann mit weichen Knien über die Blattkante auf den Strand. Sie hatten sich ein kleineres Blatt ausgesucht als das erste, mit dem sie gekommen waren, und dennoch hatten sie allein dafür, es zum Rand des Flusses zu schleifen, Stunden gebraucht. Orlando war zumute, als hätte er tagelang mit dem Schwert gehackt, bis genug von den bambusartigen Grashalmen für den Rahmen beisammen waren.
    William, der eben noch die letzten Fasern der groben Matte verflocht, hatte die dafür verwendeten winzigen Triebe mit einem scharfkantigen Stein absägen müssen, und auch er schien seine Aufgabe nicht gerade genossen zu haben. »Wessen Schnapsidee war das eigentlich?« fragte er, als Orlando und T4b angestapft kamen. »Wenn es meine war, dann nehmt dieses schwere Ding und bratet mir damit eins über.«
    Orlando hatte weder die Kraft noch den Atem mehr für Witze, nicht einmal für die dummen, die ihm vorher die harte Arbeit erleichtert hatten. Er grunzte, bückte sich und packte an einem Ende der Matte an, woraufhin sich T4b seinerseits stöhnend vorbeugte und sich ebenfalls eine Stelle zum Anfassen

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