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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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quasimittelalterliche Hauswelt einprogrammiert worden waren? Aber T4b schien lieber bei jeder Bewegung heldenhaft das Gesicht verziehen zu wollen, was Emilys große Augen mit Mitleidstränen füllte, während sie neben ihm saß und seine Hand hielt.
    »Was war mit dir?« fragte Renie !Xabbu , während sie die Schnitte an seiner runzligen Affenhand säuberte. Die unterdrückte Gefühlswallung ließ ihre Stimme zittern; sie hoffte, sie hörte sich nicht so an, als wäre sie ihm böse. »Du warst so lange weg – wo warst du? Ich hatte solche Angst um dich. Wir alle natürlich.«
    Bevor er etwas erwidern konnte, stöhnte Martine plötzlich auf und versuchte sich hinzusetzen. Der Versuch mißlang; die blinde Frau wälzte sich auf die Seite und gab würgende Geräusche von sich.
    Renie kroch zu ihr. »Martine, es ist alles gut. Du bist in Sicherheit. Dieser Kerl, dieses Monster – er ist tot.«
    Martines Augen irrten ziellos umher. »Renie?« Ihr kamen die Tränen. »Ich dachte nicht, daß ich deine Stimme noch einmal hören würde. Er ist tot? Richtig tot oder nur offline?«
    »Jedenfalls ist er aus dem Netzwerk draußen.« Sie strich Martine übers Haar. »Müh dich nicht mit Reden ab – du hast einen Schlag auf den Kopf bekommen. Wir sind alle hier.«
    »Er wollte nicht, daß ich ein Geräusch mache«, erklärte Martine. »Ihr solltet nicht merken, daß er auf der Lauer lag.« Eine zitternde Hand stahl sich zur Beule hinter dem Ohr hoch, betastete sie. »Obwohl er hinter mir war, fühlte ich den Schlag kommen. Ich beugte mich vor, so daß er mich nicht direkt traf. Ich denke, er wollte mich töten.« Mit einer anrührenden Geste legte sie sich die Finger über die Augen. »Ich wünschte, er wäre wirklich tot. Gott, wie sehr ich das wünschte!«
    Renie legte Martine die Hand auf den Arm, und diese ergriff sie mit überraschender Heftigkeit und hielt sie fest.
    »Wir können nirgendwo hingehen, solange es uns nicht besser geht, wenigstens ein bißchen«, sagte Florimel langsam. »Wir sollten erstmal hierbleiben und uns überlegen, was wir als nächstes tun wollen. Oder lauern hier noch andere Gefahren, von denen wir nichts wissen …?«
    Bruder Factum Quintus, der sich still mit der Bandagenherstellung beschäftigt hatte, blickte auf. »Keine außer Banditen, und mit ein paar von denen habt ihr neulich schon Bekanntschaft gemacht.« Er legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Hmmm. Vielleicht solltet ihr die Schußwaffen eures Feindes aufsammeln. Ja, doch. Selbst wenn wir kein Pulver und keine Munition finden, könnten sie einen potentiellen Gegner dazu bewegen, euch in Ruhe zu lassen.«
    Renie nickte. »Gute Idee. Aber du hast uns gegenüber schon mehr als deine Pflicht erfüllt, und es tut uns leid, daß du dadurch in solche Gefahr gekommen bist. Falls du jetzt in die Bibliothek zurückkehren möchtest …«
    »Oh, das werde ich, wenn ich hier soweit geholfen habe, wie ich kann. Und für meine eigenen kleinen Unbilden bin ich reichlich entschädigt worden – ich habe genug neue Dinge gesehen, um auf Jahre hinaus Stoff zum Schreiben und Studieren zu haben.« Ein listiger Blick trat in seine Augen. »Aber ich glaube, in deinem Gesicht Enttäuschung zu erkennen. Könnte es sein, daß ich euch irgendwie gekränkt habe, daß ihr meiner Gesellschaft überdrüssig seid?«
    »O nein! Natürlich nicht …!« stammelte Renie.
    »Dann liegt es vermutlich daran, daß ihr Dinge zu besprechen habt, die ihr nicht gern in meiner Gegenwart erörtern möchtet.« Der Mönch faltete die Hände im Schoß. »Ich weiß, daß eure Gruppe ungewöhnlich ist, und es ist mir natürlich nicht entgangen, wie ihr zueinander sagtet, euer Feind sei keineswegs ›richtig tot‹, er sei nur ›aus dem Netzwerk‹ befördert worden.« Factum Quintus kniff die Brauen zusammen. »Um was für ein Netz könnte es sich dabei handeln? Ich bezweifle, daß ihr die Schnüre meint, mit denen wir die Bücher in der Bibliothek sichern. Was sagen die Alten zu dem Wort?« Er besann sich einen Moment. »Ja, ich glaube, die Stelle lautet › … ein beliebiges Knüpfwerk mit gekreuzten Fadenlegungen in gleichen Abständen, dergestalt daß regelmäßige Maschen entstehen …‹ Hmmm. Nicht sehr hilfreich.« Sein unansehnliches Gesicht hellte sich auf. »Vielleicht eine übertragene Bedeutung? Ein Netzwerk kann eine politische Gruppierung bedeuten, auch eine Art Labyrinth. Was es auch sein mag, auf jeden Fall geht es hier um Zusammenhänge, die ich nicht verstehe …

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