Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
fürs erste wollte er nichts weiter als hier sitzen und die letzten Reste des Traumes abschütteln.
Verdammte Drecksau! Wie war es passiert? Hatte sie ihn erstochen, oder hatte sie die ganze Zeit über eine Schußwaffe versteckt gehabt? Er schüttelte den Kopf und holte sich etwas Musik herbei, eine Folge ruhiger Schubertlieder, ein bewährtes Linderungsmittel, wenn der Kopf schmerzte und die Nerven glühten. Er hatte das Mantra des Alten Mannes vergessen, das war passiert – selbstsicher, großspurig, faul, tot. Ein virtueller Tod, aber dennoch eine nützliche Lektion. Ein dummer Tod. Er hatte mit ihnen gespielt, wie er mit einem einzelnen Opfer gespielt hätte, einer seiner üblichen Jagdbeuten. Er hatte sie unterschätzt. Den Fehler würde er nicht noch einmal machen.
Die silbrigen Töne der Sängerin berieselten ihn und entspannten ihn ein wenig. Es war ein Rückschlag, aber nur ein vorübergehender. Er hatte immer noch Dulcys Kopie des Feuerzeugs und viel mehr Informationen über alles als diese beschissene Sulaweyo und ihre Freunde. Er würde sie finden, alle. Er würde sie voneinander losreißen, einen nach dem anderen, und vernichten. Die afrikanische Hure würde er sich als letzte vorknöpfen.
O ja, es ist ein Film, dachte er. Er wechselte den Schubert gegen etwas anderes aus, das primitiver und aufwühlender war, quietschende Streicher und prasselnde Trommeln, der richtige Sound, um sich vorzustellen, daß ein Tier mit einem sehr kleinen Gehirn von einem schnelleren und tückischeren Feind zerfleischt wird. Aber sie wissen nicht, daß ich das Drehbuch schreibe. Sie wissen nicht, daß wir erst in der Mitte sind. Und das Ende wird ihnen gar nicht gefallen.
Es war Zeit, sich für Dulcys Ankunft zu rüsten, Zeit, in die wichtigste Phase seines Plans einzutreten. Diesen Haufen Flaschen abzuservieren war schließlich nur eine Episode am Rande. Das durfte er nicht vergessen.
Er rief die Mitteilung auf, womit das lästige Geflimmer in seinem Augenwinkel aufhörte. Klekker erschien, bullig und unglaublich häßlich. Der südafrikanische Mordunternehmer war angeblich neu zusammengeflickt worden, nachdem er einen Bombenanschlag nur knapp überlebt hatte – Zellerneuerung und weitgehende Ersetzung der Knochen durch Fibramic, vor allem im Gesicht und an den Händen. Wenn man sein ursprüngliches Gesicht nicht gekannt hatte, war es schwer zu sagen, ob die Chirurgen Genies oder komplette Versager gewesen waren.
»Die Sulaweyo und ihre Genossen sind in einem aufgelassenen Luftwaffenstützpunkt in den Bergen bei Durban«, schnarrte Klekkers Bild vom Band. »Es sollte möglich sein, sie binnen zirka zweiundsiebzig Stunden auszuheben, je nach den Sicherheitsvorkehrungen, die sie dort haben. Ich nehme vier Männer und Spezialausrüstung mit, sobald du die Vollmacht erteilst.«
Dread runzelte die Stirn. Er wollte nicht bloß Renie Sulaweyos Fleisch, er wollte ihre Seele. Er wollte ihr nacktes Grauen in den Händen halten. Andererseits hätte er mit ihrem Körper einen potentiell nützlichen Handelschip in der Hand, und er war sich ziemlich sicher, daß der kleine Buschmann bei ihr war und sich möglicherweise noch besser als Druckmittel einsetzen ließ als die Angst um die eigene Sicherheit. Vielleicht lag sogar Martine, die süße, verängstigte, blinde Martine, schlummernd neben ihnen, falls sie sein kleines Abschiedsgeschenk doch überlebt hatte.
Er gab Klekkers Nummer ein. Als das Gesicht des Mannes erschien, aufgequollen und emotionslos wie eine Gewitterwolke, sagte Dread:
»Vollmacht erteilt. Aber ich will sie lebendig, und dem Körper der Frau und dem Körper des Buschmanns darf nichts passieren. Überhaupt sollen alle, die online zu sein scheinen, so bleiben. Steck sie nicht aus, solange ich es nicht sage.«
Dread stellte seine innere Musik lauter, nachdem er sich weggeklickt hatte. Seine gute Laune kehrte zurück, Tageslicht und entschlossenes Handeln vertrieben die Traumzeitgespenster. Der Held hatte eine Schlappe erlitten, aber so ging das immer in diesen Geschichten. Schon sehr bald würden einschneidende Dinge geschehen, und eine Menge Leute würde große Augen machen.
Sehr große Augen.
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