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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zu retten, sie zu befreien?‹ Die Niedergeschlagenheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören. ›Nicht daß wir die geringste Chance dazu hätten. Aber nur mal angenommen. Was passiert dann mit Factum Quintus? Schau ihn dir an! Er beabsichtigt, die nächsten paar Jahre über das alles zu schreiben. Er ist so glücklich wie der Mops im Haferstroh. Er lebt! Wenn er nicht, wer dann? Aber was passiert mit ihm und all den andern, falls wir das Netzwerk zerstören? Die Bibliotheksbrüder, dieses junge Liebespaar, das wir getroffen haben, dein Flugvolk in dieser andern Simwelt – was passiert mit ihnen allen? Es wäre, als würde man eine ganze Galaxie zum Untergang verdammen!‹
    Ich versuchte ihr klarzumachen, daß wir es uns an diesem Punkt nicht leisten konnten, uns über solche Probleme den Kopf zu zerbrechen, daß sie weit davon entfernt waren, real zu sein, und wir unsere Energie in andere Dinge stecken mußten, aber sie blieb bekümmert. Und ich bin es auch. Ich muß immer wieder an die Freundlichkeit denken, mit der uns das Flugvolk in Aerodromien behandelte, bevor Dread ein Mädchen des Stammes ermordete. Das war eine komplette kleine Welt dort in dem Tal, und es gibt ungezählte andere Welten in diesem Netzwerk.
    Wie dem auch sei, mit viel Arbeit gelang es !Xabbu , Renie und mir, einige der Probleme im Umgang mit dem Zugangsgerät zu lösen, aber wir schafften es einfach nicht, ein Gateway an einer nicht eigens dafür vorgesehenen Stelle aufzurufen, und so machten wir uns am dritten Tag auf den Weg zu dem Ort, an dem wir ursprünglich in das Haus gekommen waren – die Festsäle, wie Factum Quintus sie nannte. Obwohl es Florimel viel besser ging, war es mehr als ein Tagesmarsch, so daß wir in jener Nacht noch einmal in einem höheren Stockwerk schliefen und uns dann hinunterbegaben, bis wir auf der Höhe der Festsäle waren. Factum Quintus mußte noch etliche Stockwerke tiefer gehen, um nach Hause zu kommen, und nachdem er uns einen Plan gezeichnet hatte, der nach Renies Worten so detailliert war, daß er wie eine Gravierung aussah, trennte er sich von uns. Es war ein eigentümlicher, trauriger Abschied. Ich hatte den kleinen Mönch nur flüchtig kennengelernt, und seine Welt wird für mich ewig mit dem Grauen jenes kleinen Zimmers verbunden bleiben, aber den anderen war er zweifellos ein echter Freund geworden. Sie waren alle sehr, sehr betrübt, ihn scheiden zu sehen.
    ›Ich weiß nicht, woran ich beteiligt gewesen bin‹, meinte er, als wir Lebewohl sagten, ›doch ich weiß, daß ihr gute Menschen seid, und ich bin glücklich, euch geholfen zu haben. Doch, glücklich. Ich hoffe, wenn eure Aufgabe erledigt ist, werdet ihr uns in der Bibliothek besuchen kommen und uns erzählen, was ihr gesehen und herausgefunden habt. Ich werde ein Kapitel in meinem Buch allein für eure Entdeckungen reservieren.‹
    Renie versprach, daß wir ihn, wenn irgend möglich, wieder besuchen würden, aber es war wie eine Lüge, die man erzählt, um die zarte Seele eines Kindes zu schonen. Während die anderen zusahen, wie seine hohe, knochige Gestalt sich den Flur hinunter entfernte, spürte ich, daß sie weinte. Es ist fast unmöglich, ihre Gefühle nicht zu teilen – wenn Bruder Factum Quintus kein lebendiges Wesen ist, dann muß ich bekennen, daß ich die Bedeutung des Wortes nicht verstehe. Und auch wenn es für mich immer belastet sein wird, hat das große Haus doch eine eigentümliche Schönheit. Für seine Bewohner ist es die ganze Welt, und es ist eine Welt wie keine andere.
    Was haben diese Gralsschurken erschaffen? Begreifen sie es eigentlich? Interessiert es sie überhaupt, oder sind für sie wie einst für die Sklavenhalter die Leben anderer Menschen so bedeutungslos, daß es ihnen unvorstellbar ist, jemand anders als sie selbst könnte Träume und Wünsche haben?
    Das Scheiden von Factum Quintus brachte mir noch eine andere, überraschendere Erkenntnis. Der Schmerz, den ich empfand, als er von uns ging, war Teil eines größeren und verwirrenderen Gefühls. Es ist in gewisser Hinsicht viel erschreckender als alle Todesängste, in die Dread mich stürzte, so erschütternd diese Erfahrung auch war.
    Ich habe Freunde. Und ich kann die Vorstellung nicht ertragen, sie zu verlieren.
    So lange Zeit habe ich abgeschottet gelebt, habe mich nie ganz hingegeben, selbst gelegentlichen Geliebten nicht. Jetzt bin ich mit Menschen verbunden. Es ist ein schmerzhaftes, beängstigendes Gefühl. Ein Paar, das ich in meiner

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