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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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netten Onkels abzuschminken. Die Firma Obolos Entertainment, die die Rechte für Onkel Jingles Dschungel und die Jingle-Dschungelhorde besitzt, fährt schwere juristische Geschütze gegen die schottische Firma WeeWin auf, der sie »eklatante Verletzung eines Warenzeichens« vorwirft. WeeWin hat unter dem Titel »Captain Jixys Crew« eine Serie von Spielzeugfiguren auf den Markt gebracht, mit der das Unternehmen nach Meinung von Obolos den Erfolg von Onkel Jingle für sich ausschlachten will.
    (Bild: Obolos-Sprecherin mit Zoomer Zizz und WeeWins Ztripey Ztripe in der Hand)
    Off-Stimme: Auf einer Medienkonferenz stellten Obolos-Vertreter heute ihre berühmtesten Figuren denen der Konkurrenz gegenüber, um den von ihnen behaupteten »unverfrorenen geistigen Diebstahl in fast jedem einzelnen Fall« zu beweisen …
     
     
    > Das weindunkle Meer.
    So hatte Homer es genannt, erinnerte sich Paul – eine der stehenden Redewendungen wie »rosenfingrig« für die Morgenröte, die zum Entzücken antikenbegeisterter Lehrer und zum Grauen gelangweilter Schüler ständig wiederkehrten. Sie waren einst eine Hilfe gewesen, um den Dingen Form und Gestalt zu verleihen, eine Erinnerungsstütze für die Barden, die vor Alphabeten und Büchern Generation für Generation die alten, starken Worte weitergegeben hatten.
    Aber natürlich war es nicht bloß dunkel wie Wein, dieses Homerische Meer. Die Tage, die Paul in Wind und Wetter, Regen und Sonne auf dem Floß dahinfuhr, zeigte sich das Meer noch wandelbarer als der Himmel. Gelegentlich nahm es ein derart helles und durchscheinendes Blau an, daß es an den Rändern eisweiß zu werden schien, zu anderen Zeiten war es stumpfgrau und opak wie Stein. Wenn die Sonne am Morgen tief stand, übergoß sie manchmal die ganze Wasseroberfläche mit funkelndem Feuer, doch wenn sie dann in den Zenit stieg, konnte die See ein Feld aus beweglicher Jade werden. Wenn die große Scheibe am Abend unterging und in die mandarinenfarbenen Wolken am Horizont eintauchte, gab es einen kurzen Augenblick, in dem das Meer schwarz und der Himmel seinerseits unnatürlich grün wurde, womit sich das Erscheinen der prachtvollsten Sterne ankündigte, die Paul je zu Gesicht bekommen hatte.
    Trotz seines ungeduldigen Sehnens nach zuhause und nach Frieden hatte Paul zeitweise, wenn er Himmel und Meer in ihrem Spiegelspiel betrachtete, ein Gefühl, das nur Freude genannt werden konnte – allerdings eine Freude, die er für sich behielt. Seit ihrer Flucht von der Lotosinsel war Azador wieder in seine vorherige Verschlossenheit verfallen, mehr noch, er zog sich in ein noch brummigeres Schweigen zurück und war stachlig wie ein eingerollter Igel. Das Äußerste, was Paul aus dem Mann herausbrachte, war die Bestätigung, daß sie in der Tat langsam Richtung Troja segelten.
    Es gab Umstände, in denen es schlimmer gewesen wäre, praktisch allein zu sein; Paul stellte fest, daß ihm das Schweigen längst nicht mehr soviel ausmachte wie früher. Seit dem letzten Erscheinen der geflügelten Frau war er voll von flüchtigen Gedanken und Spekulationen. Falls sein Gedächtnis noch verschlossene Türen barg, gab es keinen Grund, weshalb er nicht versuchen sollte zu erraten, was hinter diesen Barrieren liegen mochte, zumal er jetzt endlich ein paar Anhaltspunkte hatte.
    Das erste und größte Rätsel war natürlich die Frau selbst. Ihr kurzes Auftauchen neulich, als er sich knapp vor dem Ertrinken an der Spiere seines zerschellten Bootes festgeklammert hatte, war anders gewesen als die Male vorher: Wenn sie sonst zu ihm gekommen war, ob im Traum oder in den Simulationen selbst, hatte sie immer etwas getragen, das zu der Umgebung gepaßt hatte. Die Sachen aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, die sie bei dieser Gelegenheit angehabt hatte, waren trotz des Alters an sich nicht besonders merkwürdig gewesen – er hatte sie in vielen exotischen Verkleidungen gesehen –, aber sie hatten nicht das geringste mit dem alten Griechenland oder dem Schloß des Riesen aus seinen Träumen zu tun gehabt. Die Vision hatte etwas in ihm gezündet. Er fragte sich jetzt, ob er sie in einer Gestalt gesehen hatte, die ihrem wirklichen Aussehen ähnlicher war, oder wenigstens seinen verschütteten Erinnerungen an sie.
    Wer also war sie? Offensichtlich eine, die ihn kannte, sofern sie nicht einfach ein Teil des Netzwerks und darauf codiert war, sich so zu verhalten, wie sie es tat. Doch das erklärte noch nicht, warum er sich so sicher fühlte, daß er sie

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