Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
sich mit erstaunlicher Grazie im Kreis und blieb dann stehen. »Jetzt sagt mir, wer bin ich?« Bes ließ sich auf alle viere fallen und streckte den Hintern in die Luft, dann kroch er rückwärts durchs Zimmer und stieß dazu leise, geschäftige Furztöne aus. Die Affen lachten so sehr, daß einige von Orlando herunterpurzelten und sich an seinen Gürtel klammern mußten, um nicht auf den Boden zu fallen. Selbst Orlando mußte grinsen. Missus Simpkins verdrehte bloß die Augen.
Der Zwerg hielt an und sah auf. »Erkennt ihr nicht Chepri, den Kotkäfer, den einzigen Gott in allen Himmeln, der an der Nase so braun beschmiert ist wie am Hintern?« Er schüttelte den Kopf. »Was lernen junge Götter heutzutage eigentlich noch?« Bes wälzte sich auf den Rücken und ließ seine Glieder erschlaffen, dann kreuzte er feierlich die Hände über der Brust und schloß die Augen. »Dann nennt mir den. Wer bin ich?« Nach einer Pause löste sich eine pummelige Hand und bewegte sich krabbelnd nach unten in die Schamgegend, wo sie zufaßte und drückte.
Verlegen, aber dennoch belustigt konnte Orlando nur den Kopf schütteln.
»Bei den schlenkernden Eutern der Hathor, erkennt ihr nicht unsern Herrn Osiris? Wer sonst könnte tot sein und dabei doch voll unersättlicher Begierde?« Der Unmut in der Stimme machte Orlando plötzlich klar, daß dieses Rätselspiel todernst gemeint war – daß ihre Rettung davon abhängen konnte. Bevor er sich überlegen konnte, worauf der Zwerg mit seinem Osirisrätsel angespielt hatte, war der winzige Mann schon wieder auf die Füße gesprungen. »Ich gebe euch noch eine letzte Chance. Sagt mir, wer ich bin.«
Er hielt die Hände an seine kringeligen Haare und spreizte die Finger wie rissige Ohren, zog dann seinen Mund zähnefletschend in die Breite, warf den Kopf in den Nacken und heulte wie ein kranker Hund. Die völlig begeisterte Böse Bande tat es ihm nach, so daß der Raum von dem schrillen Gejaule nur so widerhallte. »O weh!« stöhnte der Zwerg. »Es ist zwar Tag, aber ich bin ganz wirr im Kopf und heule deshalb die Sonne an statt den Mond.«
Fredericks lachte plötzlich auf. »Es ist Umpa-Lumpa!«
»Upuaut«, sagte Orlando dankbar. »Das ist Upuaut.«
»Na gut«, schaltete sich Missus Simpkins ein, »wenn wir jetzt mit diesen Spielen fertig sind …«
Bes zog eine buschige Braue hoch. »Der war zu leicht, glaube ich. Probieren wir noch einen.« Er wartete, bis die Bande sich halbwegs beruhigt hatte, dann hielt er sich mit den Händen die Augen zu. Durch irgendeinen Bauchrednertrick schien seine Stimme von überall im Zimmer zu kommen, nur nicht aus seinem breiten Mund.
»Ich bin im Dunkel verloren«, seufzte er. »Ich liege eingesperrt in einem Sarg und irre für alle Zeit durch Dunkelheit und Kälte …«
»Den kenne ich auch«, sagte Orlando. »Und die Nummer find ich nicht komisch.«
Der Zwerg ließ die Hände sinken. »Aha, dann hattest du also recht, Mütterchen. Ein bißchen was wissen sie doch.« Er wandte sich wieder an Orlando. »Du sagst die Wahrheit. Es ist kein guter Witz.« Er breitete die Arme aus wie zur Begrüßung, machte dann unversehens einen Salto rückwärts und landete nahe der Zimmertür auf seinen kurzen O-Beinen. »Also, gehen wir. Der Tempel von Großvater Re wartet auf uns.«
»Moment mal«, knurrte Orlando. Die Energie, die ihn befähigt hatte, aufzustehen und aufs Dach zu steigen, verebbte allmählich, und er hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Wie sollen wir an den ganzen Soldaten vorbeikommen? Und wieso sollten wir überhaupt dort hinwollen?«
»Ihr müßt hier weg«, erklärte Missus Simpkins in der plötzlich eingetretenen Stille. »Ich hab euch ja gesagt – dieses Haus ist für euch und für jeden, der euch hilft, nicht mehr sicher.«
»Aber warum gehen wir nicht einfach am Fluß lang zum nächsten Gateway, oder wie die Dinger heißen? Warum klärt uns niemand über irgendwas auf? Wir wissen immer noch nicht, was du hier eigentlich treibst, und schon gar nicht, warum wir bei irgend so ’ner dämlichen Revolution mitmachen sollen.«
Sie nickte zustimmend. »Du hast recht, Junge. Ich bin dir den Rest meiner Geschichte schuldig. Ich erzähle dir unterwegs, soviel ich kann. Aber bei Tag ist der Nil voll von Booten mit Soldaten im Dienst von Tefi und Mewat, und bei Nacht würdet ihr sowieso nie zum Fluß kommen, sondern vorher von irgendwas gefressen werden – wenn ihr Glück hättet.«
Fredericks meldete sich zu Wort. »Aber warum grade
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