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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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»Ist Renie noch weiter oben auf dem Berg? Und wo ist der Berg überhaupt?«
    »Ich weiß darauf keine Antwort, Fredericks«, sagte !Xabbu .
    »Sam. Sag Sam zu mir, bitte!« Sie hatte keine Kraft mehr zu planen, zu handeln. Orlando war gestorben. In der ganzen Zeit ihrer Gefangenschaft im Netzwerk hatte Sam Fredericks sich nicht gestattet, ernsthaft an die Möglichkeit zu denken, daß eine solche Zeit kommen könnte, eine Zeit, in der sie ohne ihn würde weiterziehen müssen. Wie hätte so etwas sein können? Und doch war es Wirklichkeit geworden. Die Welt ringsherum war genauso absonderlich und unbegreiflich wie zu der Zeit, als Orlando noch am Leben gewesen war, jetzt aber gab es keinen Orlando mehr, der sie antrieb, sie anmuffte, ihr dumme Witze erzählte, weil er wußte, wenn man eine zum Weitermachen bewegen wollte, war es genausogut, sie mit dummen Witzen zu ärgern wie sie mit guten zu amüsieren, und jedenfalls viel einfacher für den Witzeerzähler.
    Sam fühlte einen inneren Knoten, ein schmerzhaftes Anschwellen des Herzens. Sie würde ihm nie wieder ihre banalen Feststellungen sagen können, deren vollendete Dämlichkeit ihn schier zum Wahnsinn getrieben hatte, weil er nie wußte, ob sie es ernst meinte oder nicht. Das Druckgefühl in ihr war wie etwas, das geboren werden mußte, aber nicht herauskommen wollte. Es war bestürzend, entdecken zu müssen, wie sehr man jemanden vermissen konnte, dessen wirkliches Gesicht man niemals gesehen hatte.
    Was würde er jetzt sagen? überlegte sie. Jetzt, wo alles weg war, Renie verschwunden, sie selbst buchstäblich im Nichts versackt?
    »Bis zum Hals im Fen-fen, und Tendenz steigend«, das hatte er einmal in Mittland zu ihr gesagt, als sie sich die Taschen mit Schätzen vollgestopft hatten und beim Umdrehen eine zwanzig Meter lange Schlange vor sich sahen, die gerade zum einzigen Ausgang der unterirdischen Höhle hereinkroch.
    Genauso sieht’s jetzt mit mir aus, Gardino, dachte sie. Diesmal in echt. Und Tendenz steigend …
    !Xabbu sah, daß ihr Tränen über die Backen kullerten, und er hockte sich neben sie und nahm sie fest in seine schlanken, starken Arme. Als sie sich vor Weinen kaum mehr halten konnte, tauchte eine hochgewachsene Gestalt aus dem Nebel auf.
    »Ich wußte, daß sie die Brauchbarste von euch war«, sagte Jongleur verächtlich, »aber ich hätte nicht gedacht, daß ihr zwei in ihrer Abwesenheit so schnell schlappmachen würdet. Habt ihr denn überhaupt kein Rückgrat? Wir müssen weiter.«
    Der steinern blickende Mann war Sam ein solcher Greuel, daß sie ihn nicht einmal anschauen konnte, aber !Xabbu neben ihr straffte sich. »Es ist Unsinn, loszugehen, wenn man keine Ahnung hat, wo man hingeht«, sagte der kleine Mann. »Hast du mit deiner Suche mehr Erfolg gehabt als ich?«
    Jongleur atmete zischend aus, als ob er ein kleines Leck bekommen hätte. »Nein. Es gibt nichts. Wenn ich nicht sorgfältig auf meine Schritte geachtet hätte und auf demselben Weg zurückgekommen wäre, hättet ihr mich vielleicht nie wiedergesehen.«
    »Das wäre wirklich ein Jammer gewesen«, rutschte es Sam heraus.
    Jongleur ignorierte sie. »Genau das ist zweifellos eurer Gefährtin passiert. Sie muß nach dem Wechsel hierher an diesen rätselhaften Ort einen Erkundungsgang gemacht haben und findet jetzt nicht mehr zurück.«
    »So etwas würde Renie nie tun«, erklärte !Xabbu bestimmt. »Dafür ist sie zu klug.«
    Jongleur machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sei’s drum, sie ist weg, der Grund spielt keine Rolle. Und Klement auch.« Sein Lächeln war eisig. »Ich nehme an, wir können davon ausgehen, daß sie nicht zusammen durchgebrannt sind.«
    !Xabbu stellte sich hin. Er war einen ganzen Kopf kleiner als Jongleur, aber etwas an seiner Haltung veranlaßte den größeren Mann zurückzutreten. »Wenn du nichts Sinnvolles zu sagen hast, hörst du auf, von ihr zu reden. Sofort!«
    Verärgert, aber von der Entschiedenheit des anderen überrumpelt blickte Jongleur auf ihn herab. »Nimm dich zusammen, Mann. Es war bloß eine Bemerkung…«
    »Keine Bemerkungen mehr!« !Xabbu fixierte Jongleur, und während sie die beiden beobachtete, wurde es Sam auf einmal unangenehm bewußt, daß sie ohne !Xabbu mit diesem uralten Ungeheuer allein wäre. Jongleur hielt den Blick. Schließlich berührte !Xabbu sie sanft am Arm. »Er hat allerdings in einer Hinsicht recht, Sam. Wir können zwar noch ein Weilchen auf Renie warten, doch selbst wenn sie in der Nähe ist, kann es gut

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