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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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erwiderte ihr Lächeln matt. »Wie ich oft zu Renie sage, die Fähigkeiten, die ich besitze, kann man nicht einfach an- und abstellen. Aber ich denke, ich sehe etwas klarer, ja, ein bißchen vielleicht.«
    Jongleur gab ein leises Schnauben von sich. »Jeder andere Mann meiner Generation fände es zum Schreien komisch, daß ich mein Leben zwei Afrikanern anvertraue und einer Kreolin, wenn ich bei diesem Mädchen richtig vermute – und eine Afrikanerin haben wir schon verloren.« Er verdrehte die Augen. »Aber ich bin noch nie engstirnig gewesen. Wenn dir irgendein Instinkt einen Weg zeigt, wie man hier wegkommt, dann, zum Donnerwetter, heraus damit!«
    !Xabbu warf ihm einen scharfen Blick echter Abneigung zu, eine der heftigsten Reaktionen, die Sam bis dahin bei ihm erlebt hatte. »Es ist kein ›Instinkt‹, nicht in dem Sinne, wie du meinst. Alles, was ich an Orientierungsvermögen besitze, habe ich gelernt, als ich bei der Familie meines Vaters in die Schule ging. Ich habe dort noch andere Dinge gelernt, die dir anscheinend genauso fremd sind, Güte und klares Denken zum Beispiel.« Er kehrte Jongleur, der zwischen Empörung und säuerlicher Belustigung schwankte, den Rücken zu. »Es tut mir leid, daß ich dich mit diesem Mann allein gelassen habe, Sam, aber ich mußte weit genug weggehen, daß ich euch beide nicht mehr sehen, ja nicht einmal mehr atmen hören konnte. Alles in diesem Netzwerk ist merkwürdiger als in der wirklichen Welt. Es war schon vorher schwierig, sich darin zurechtzufinden, aber in dieser Umgebung hier ist es noch schwieriger – bis vor kurzem hätte ich behauptet, daß außer uns nicht das geringste wahrzunehmen ist. Und vielleicht stimmt das ja sogar. Es könnte sein, daß ich mir wie ein Verhungernder, der Wild zu wittern hofft, etwas eingeredet habe, das gar nicht der Wahrheit entspricht.«
    »Du denkst, du hast… etwas gewittert?«
    »Nicht ganz, Sam. Lange saß ich einfach da und bemühte mich, wie gesagt, die Geräusche und Gerüche von dir und … und diesem Mann zu vergessen. Eine Zeitlang hatte ich die Hoffnung, Renie in der Ferne rufen zu hören.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Schließlich aber ließ ich davon ab und … machte mich auf. Das ist nichts Mystisches«, beeilte er sich zu versichern, wobei er sich über die Schulter zu Jongleur umguckte. »Es ist eher die Fähigkeit, wahrhaft zu hören, zu riechen, zu sehen. Die Menschen in der Stadtwelt erfahren das selten, weil alles, was sie brauchen, prompt und unmittelbar zu ihnen kommt, wie aus der Pistole geschossen.« Sein Gesicht wurde ernst, während er nach den richtigen Worten suchte. »Nach einer Weile begann ich etwas zu fühlen. Vielleicht ist das ein wenig so, wie Martine Dinge wahrnimmt – es dauert etwas, bis man die Muster hier versteht –, aber wahrscheinlich lag es schlicht daran, daß ich schließlich die nötige Stille hatte und … wie soll ich sagen? Die Alleinheit? Jedenfalls konnte ich irgendwann hören.« Er drückte Sam wieder die Hand und stand auf. »In die Richtung«, sagte er und deutete auf einen Abschnitt der schimmernden Leere, der sich durch nichts von den anderen unterschied. »Es kann sein, daß ich mich selbst betrüge, aber ich fühle, daß dort etwas ist, in dieser Richtung.«
    »Etwas?« Jongleurs Stimme war beherrscht, aber Sam konnte die Gereiztheit durchhören. Mit einemmal kam ihr die Erkenntnis, wie sehr es an einem Mann seines Schlages nagen mußte, überhaupt von jemandem abhängig zu sein, erst recht von einem, der für seine Begriffe kaum mehr als ein primitiver Wilder war.
    Wie alt ist er eigentlich wirklich? überlegte Sam, und es schauderte sie beinahe. Zweihundert Jahre? Hatten sie damals, als er jung war, vielleicht noch Sklaven oder so?
    »Was ich spüre, ist… etwas«, antwortete !Xabbu . »Es gibt kein anderes Wort dafür. Ich rede nicht so, um dich zu provozieren. Es könnte eine Verdichtung sein oder eine stärkere Bewegung oder eine weit entfernte Unruhe in einem Zustand, der hier geordneter erscheint, oder … so etwas. Wie der Hauch einer vom Wind fast ganz verwehten Spur im Sand. Mag sein, daß es nur eine Illusion ist. Aber dorthin werde ich gehen, und ich denke, Sam wird mit mir kommen.«
    »Aber voll.« Was wäre schon die Alternative? In alle Ewigkeit hier in diesem Nebel zu warten und darauf zu hoffen, daß irgendwoher Hilfe kam? Das hätten Orlando oder Renie niemals getan.
    Jongleur musterte !Xabbu durchdringend. Diesmal brauchte Sam keine besondere

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