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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Eingebung, um die Gedanken des Mannes zu lesen. Er versuchte, sich darüber klarzuwerden, ob !Xabbu ihn vielleicht anlog oder ob er verrückt war oder ob er sich einfach irrte. Sam hätte mit einem Ekel wie Jongleur niemals Mitleid haben können, aber sie konnte sich beinahe vorstellen, wie es sein mußte, immer alles und jeden zu verdächtigen. Es war eine häßliche, bedrückende Vorstellung.
    »Na gut, geh voran.« Selbst nackt gebärdete sich Jongleur wie ein König, der einem Bauern eine Gunst gewährt. »Alles ist besser als das hier.«
     
     
    > Beim dritten Mal hätte Renie fast nicht mehr zurückgefunden. Es war krank, den debilen Ricardo Klement als Orientierungspunkt zu nehmen, und noch kränker, regelrecht Freude und Erleichterung zu empfinden, als sie den Umriß seiner sitzenden Gestalt aus dem Nichts auftauchen sah.
    Und wenn er sich nun bewegt hat? fragte sie sich. Ich habe ihn zwar wiedergefunden, aber es wäre dann nicht dieselbe Stelle, an die ich zurückkomme. Möglicherweise waren !Xabbu und Sam schon vorher hier, und jetzt suchen sie am alten Platz nach mir…
    Bei alledem ging sie von der Voraussetzung aus, daß ihre beiden Freunde noch am Leben waren, daß sie nicht einfach vom Netzwerk beziehungsweise von diesem verrückten Teilbereich hier geschluckt oder gedrezzt worden waren. Aber bei dieser Möglichkeit mochte sie nicht lange verweilen.
    Und noch viel länger herumirren mochte sie auch nicht. Es war sowieso egal – das ununterbrochene, eintönige Grau nahm kein Ende, der verschleierte Boden, flach wie eine Tischplatte, ging einfach immer weiter, überall herrschten Stille und Leere. Sie konnte sich aussuchen, ob sie irgendwo bleiben oder sich ständig weiterbewegen wollte.
    Daß Klement sich freute, sie zu sehen, konnte man nicht gerade sagen – er hob bei ihrer Rückkehr leicht den Kopf –, aber ohne Frage registrierte er, daß sie da war: Seine Augen verfolgten sie, und er veränderte ganz geringfügig seine Position, als sie sich ein paar Meter entfernt hinsetzte, wie um zwischen ihnen Raum für ein Lagerfeuer zu lassen, falls es in dieser Welt ein Lagerfeuer oder überhaupt irgend etwas gegeben hätte.
    Renie hätte einen Arm für ein Lagerfeuer gegeben. Sie hätte noch ein Glied und vielleicht ein paar Organe dazugetan, wenn !Xabbu und Sam mit ihr an diesem Feuer gesessen hätten.
    Ich hätte nicht das Schicksal herausfordern sollen mit meinem ständigen Räsonieren darüber, wie wenige von uns noch übrig sind. Jetzt ist niemand mehr übrig. Nur noch ich. Und … das da.
    Ricardo Klement erwiderte ihren Blick so regungslos, daß sie den Eindruck hatte, ein Bild in einem Museum anzuschauen. Das letzte, was man erwarten würde, war, daß dieses Bild zu sprechen anfing.
    »Was … bist du?« fragte Klement.
    Renie zuckte überrascht zusammen. Sie mußte sich fassen, ehe sie antworten konnte. »Was ich bin?« Das Sprechen fiel ihr schwer, so heiser war ihre Stimme vom Schreien nach ihren verschollenen Gefährten. »Was meinst du damit? Ich bin eine Frau. Ich bin eine Afrikanerin. Ich bin eine, der du und dein Klüngel reicher Freunde … Leid zugefügt habt.« Sie hatte keine Worte, um ihren Kummer über Stephen auszudrücken, obwohl die Hilflosigkeit der letzten Stunden diesen Kummer eher noch verschlimmert hatte.
    Klement glotzte. Etwas arbeitete sichtlich in ihm, aber es war ganz tief unten. »Das ist … ein langer Name«, sagte er schließlich. »Er ist … lang.«
    »Name?« Du liebes Lieschen, dachte sie, diese Zeremonie hat ihm wirklich ordentlich das Gehirn zermatscht. »Das ist nicht mein Name, das ist …« Sie hielt inne und holte tief Luft. »Mein Name …?« Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm den sagen wollte, auch wenn sie die Anonymität schon lange aufgegeben hatte. Mochte mit seinem Gehirn passiert sein, was wollte, etwas ärgerte sie an der Art, wie dieser Kerl hier einen auf kindliche Unschuld machte. Bedeutete diese zunehmende Gesprächsbereitschaft, daß der alte Ricardo Klement langsam zum Vorschein kam oder daß die neue, gestörte Version besser mit ihren Fähigkeiten umzugehen lernte?
    »Mein Name ist Renie«, sagte sie schließlich.
    Klement erwiderte nichts, aber stierte sie dennoch weiter an, so als wollte er den frisch abgespeicherten Namen mit einem genauen optischen Eindruck verbinden.
    Renie seufzte. Dieser Schwachkopf war das geringste ihrer Probleme. Nach ungefähr einem halben Tag in der Leere hatte sich nichts verändert. Sie hatte geschrien,

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