Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Die Kreaturen hatten Florimel losgelassen, und jetzt sprang ihm eine der unmenschlichen Erscheinungen in den Weg. Paul stieß ihr den Revolver ins Mittelstück, und als der Schuß krachte, krümmte sie sich und flog nach hinten. In zunehmender Verwirrung hüpften die Bestien durch den düsteren Bau, doch Paul konnte sich nur auf das Geschehen unmittelbar vor ihm konzentrieren.
    Im Vertrauen darauf, daß die anderen zwei ihm folgten, schleifte Paul Martine auf den Tunnel zu, von dem ein schwacher Lichtschein ausging, und betete, es möge die Sonne sein. Er mußte den Kopf einziehen, als er den niedrigeren Gang betrat, und ein Überraschungsschlag von einer der Kreaturen kostete ihn beinahe das Gesicht. Zu Tode erschrocken drückte Paul auf den Abzug, ohne erst zu zielen. Er hatte nicht den Eindruck, getroffen zu haben, aber das Mündungsfeuer und der Pulverknall schlugen den Angreifer heulend in die Flucht.
    Ein kurzes Stück weiter sank ihm der Mut. Es war nicht die Sonne. Der Tunnel verbreiterte sich zu einer großen Höhle mit einem Feuer in der Mitte, das ein Ring rußgeschwärzter Schädel von Menschen und Tieren und angebrannter zerbrochener Knochen umgab. Etliche andere Ungeheuer waren vor Schreck über das plötzliche Erscheinen der fliehenden Gefangenen an die Wand zurückgewichen, doch sie sahen aus, als sammelten sie schon den Mut zum nächsten Angriff.
    Keine Sonne. Wir werden bloß durch diese Gänge hetzen, bis sie uns umstellt haben oder bis mir die Kugeln ausgehen … Das adrenalintrunkene Gefühl flaute ein wenig ab. Er merkte, daß er bereits um Atem rang, daß ihm vom Rückstoß des Revolvers das Handgelenk schmerzte. Hinter ihm riß Martine wie wild an seinem Arm.
    »Zwecklos«, japste er. »Bloß ihre … ihre Küche. Keine Sonne.«
    »Weiter, weiter!« Ihre Stimme war kurz vor dem Überschnappen. »Die Richtung stimmt. Weiter!«
    Er konnte nur hoffen, daß sie wußte, was sie sagte. Die kleine Schar eilte durch den flackernden gelben Schein. Er schwenkte den Revolver, und mehrere der Kreaturen prallten zurück. Eine jedoch ließ sich nicht einschüchtern, und so drückte Paul abermals ab. Zischend und zuckend stürzte sie vor ihnen zu Boden, so daß sie gezwungen waren, sich mit dem Rücken an der feuchten Lehmwand daran vorbeizudrücken. Die Eingeweide des Monsters waren herausgequollen, und von dem Gestank wurde ihm fast übel.
    Wie viele Kugeln sind weg? Habe ich noch welche übrig?
    Beim Stolpern durch den dunklen Bau verloren sie jedes Zeitgefühl. Mit jeder Gabelung schienen die Gänge kleiner und enger zu werden. In Paul stieg die gräßliche Gewißheit auf, daß Martine sich verrechnet hatte, daß die nächste oder übernächste Abbiegung sie in einen Schlauch führen würde, wo sie auf Händen und Knien krabbeln mußten, und zuletzt vor eine Erdwand, wo sie endgültig in der Falle saßen.
    Nein, das war damals im Krieg, sagte er sich. Das Schrillen der erbosten Spinnenbisons ertönte jetzt von allen Seiten. Er spürte, wie seine Gedanken zerfaserten. Konzentrier dich auf das, was vor dir ist … was vor dir ist …
    »Nach rechts!« schrie Martine. »Paul! Nach rechts!«
    Er stockte einen Moment, weil er wirklich nicht mehr wußte, wo rechts und links war. Da gab ihm Martine von hinten einen Stoß, und er ließ sich in einen Durchgang lotsen, der scharf nach oben abknickte, einen gewundenen Pfad zwischen geborstenem Gestein hindurch.
    »Ich sehe Licht!« rief er aufgeregt. Ein trüber, dämmerblauer Kreis hing etwa hundert Meter über ihm, doch diesmal war es keine Täuschung, kein Bratfeuer der Ungetüme, denn er erkannte schwach schimmernde Sterne darin, echte, ehrliche Sterne, willkommen wie die Gesichter alter Freunde. »Schnell!«
    Er streckte die Hand aus, um Martine über einen Stein hinwegzuhelfen, der wie ein Reißzahn in dem Durchgang aufragte, und bekam einen furchtbaren Schreck, als er hinter ihr niemand erblickte. Doch da erschienen zum Glück T4b und Florimel, die sich schier überstürzten, aus dem unteren Gang hinauszukommen.
    »Sie kommen!« schrie Florimel und schaufelte dabei mit beiden Händen Erde und Steine in die Tunnelöffnung, um die Verfolger aufzuhalten. »Massen!«
    Paul konnte den steilen Aufgang mit nur einer freien Hand nicht bewältigen; er steckte den Revolver in eine Tasche seines schmutzigen und zerrissenen Overalls und kletterte los, wobei er alle paar Meter Martine helfend die Hand hinhielt. Die Geräusche der Verfolger wurden lauter. Paul spürte

Weitere Kostenlose Bücher