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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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so, was ich dich noch fragen wollte«, sagte er mit gespielter Beiläufigkeit, von der sie sich nicht im geringsten täuschen ließ. »Dieses Pflaster, das du da am Hals hast. Du hast doch nicht etwa ein gesundheitliches Problem, von dem du uns nichts erzählt hast, nicht wahr, Frau Czotilo?«
    Sie stutzte ein wenig darüber, nach so vielen Jahren Aleksanders Nachnamen wieder zu hören, obwohl sie ihn selbst ausgesucht hatte, weil sie dieses Pseudonym schwerlich vergessen würde. Dann hatte sie sich wieder gefangen. »Ach, das?« Sie tippte auf den Heftstreifen über ihrer T-Buchse. »Ich habe mir einen Leberfleck entfernen lassen. Das macht doch nichts, oder? Er war nicht krebsverdächtig oder so, ich … ich mochte ihn bloß nicht leiden.«
    Er lachte und winkte ab. »Ich will nur sichergehen, daß Leute sich nicht deswegen von uns anstellen lassen, weil sie in den Genuß unserer Krankenversicherung kommen wollen.« Seine Miene veränderte sich ein wenig, und das ungute Funkeln blitzte wieder auf. »Wir lassen uns nicht gern zum Narren halten, Olga. Die J Corporation ist eine große Familie, aber eine Familie muß sich schützen. Die Welt da draußen kann sehr gemein sein.«
    Da draußen, vermutete sie, bedeutete wahrscheinlich alles, was weiter als fünf Kilometer von dem schwarzen Turm weg war. »Oh, ganz bestimmt, Herr Landreaux«, pflichtete sie ihm bei. »So viele schlechte Menschen.«
    »Eben«, sagte er zerstreut. In Gedanken war er bereits wieder bei dem vor ihm liegenden Tag, den kleinen Kniffen und Schlichen des mittleren Managements.
    Olga erhob sich. Sein Rücken war ihr zugekehrt, als sie hinausschlich.
     
    Während sie über die Plaza vor dem Einführungszentrum des Unternehmens auf die Esplanade zuging, vermied sie es bewußt, zu dem auf der anderen Seite des Wassers aufragenden schwarzen Turm aufzuschauen. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden, obwohl es mehr als unwahrscheinlich war, daß bei Tausenden von Beschäftigten mit der frisch eingestellten Putzfrau ein solcher Aufwand getrieben wurde. Und warum sollte eine neue Mitarbeiterin nicht zu dem Turm aufblicken, dem Wahrzeichen des Konzerns?
    Trotzdem, sie wollte es vermeiden, jedenfalls so lange, wie sie noch nicht auf dem Schiff war. Sie hatte eine geradezu abergläubische Furcht davor entwickelt, so als ob sich automatisch eine schwere Hand auf ihre Schulter legen und die Sache diesmal mit ein paar harmlosen Fragen nicht abgetan sein würde, wenn sie sich ein derart ungezwungenes Verhalten erlaubte.
    Block zwölf war eine riesige Halle, die direkt auf den Pier hinausging. Die vor Anker liegenden mächtigen Hovercrafts, die das Wartungs- und Reinigungspersonal zwischen Festland und Insel hin- und herbeförderten, bufften bei dem leichten Wellengang aneinander. Im Innern der Halle befand sich ein ganzer Komplex – Magazine und Umkleideräume, die im Augenblick von hundertstimmigem Geplapper widerhallten, da eine der Reinigungsschichten gerade von der Insel zurückgekommen war.
    Maria stellte sich als eine schwergewichtige und nicht besonders geduldige Frau mit silberschillernden Haaren heraus, deren schwarze Wurzeln darauf hindeuteten, daß der verbrauchte Schick dringend wieder aufgefrischt werden mußte.
    »O je, schon wieder eine«, stöhnte sie, als Olga sich bei ihr meldete. »Wissen denn die Heinis im EZ nicht, daß ich die Woche keine Zeit habe, Leute einzuweisen?« Sie warf Olga einen Blick zu, der zu sagen schien, das beste für alle Beteiligten wäre, wenn sich der Neuzugang augenblicklich im Lake Borgne ersäufte. »Esther? Wo zum Teufel steckst du? Hier, nimm die Neue mit, besorg ihr ’ne Uniform, sag ihr, was sie zu tun hat! Guck, ob’s im Automaten ’ne Marke für sie gibt! Und wenn sie irgendwas verbockt und Ärger kriegt, bist du dran, tick?«
    Esther war eine dünne Hispañofrau beinahe in Olgas Alter, die trotz ihres müden Aussehens etwas Mädchenhaftes und ein freundliches, schüchternes Lächeln hatte. Sie half Olga, auf einer Kleiderstange, die in einem Skywalker-Jet von einer Flügelspitze zur anderen gereicht hätte, eine zweiteilige graue Arbeitskluft in der richtigen Größe zu finden, und gab dann bei ein paar gelangweilten Verwaltungskräften keine Ruhe, bis Olga ihre Marke und einen Spind in einem der Umkleideräume bekommen hatte. Es hatte etwas von einem Internat für Schülerinnen mit wehen Füßen und steifen Gelenken – Hunderte von schwarzen und braunen Frauen, darunter ein

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